Schreiben als permanente Überschreitung

Nachweis

auch in:

 

Sie spricht mit der amerikanischen Literaturwissenschaftlerin

Ire­ne Comp­ton

über die Rezeption ihrer Texte (z.B.

Ste­cken, Stab und Stangl

) und das Österreich-Bild in den

USA

und erklärt, dass sie „die Ambivalenz der österreichischen Identität exemplarisch, nicht psychologisch zu fassen“ suche. Als Charakteristikum ihrer

Schreib­ver­fah­ren

bezeichnet sie den Sprachwitz und verortet ihre Arbeit in der jüdischen (

Ju­den­tum

)

Schreib­tra­di­ti­on

Österreichs (

Ös­ter­reich

). Am Beispiel ihres Theatertextes

To­ten­au­berg

spricht sie über die Verarbeitung von

Mar­tin Heid­eg­ger

in ihren Werken und führt die oft undifferenzierte Rezeption ihrer Texte darauf zurück, dass sie sich „als Autorin ein Sprechen anmaße, das für Frauen eben nicht vorgesehen ist“ (

Frau

); auch über

Ein Sport­stück

.

 

Christine Dobretsberger:In einem Protestschreiben formulieren Sie, dass man sich nicht mehr mit den Worten zwischen Macht und Wirklichkeit schieben kann. Wo bleibt dann noch der Raum für Literatur?

Elfriede Jelinek: Wahrscheinlich außerhalb der Öffentlichkeit. Sobald eine Verlautbarungssprache in dieser Weise überhand nimmt, kann man sich mit einer differenzierten bzw. ironisierenden Sprache, die auch wieder einen gewissen Abstand zu sich selbst bedingt nicht mehr dazwischenzwängen. Weil es Sprachen sind, die auf verschiedenen Schienen laufen. Also muss Literatur vielleicht das werden, was sie immer schon war: Etwas Persönliches, etwas Privates. Deshalb habe ich hier auch fürs Erste meine Stücke zurückgezogen.

Literatur ist somit kein Gegengift der Zeit?

Das kann Literatur, das kann Kunst nicht leisten. Ich glaube, dass die Sprache der Politik die Politik der Literatur zerstören würde. Man kann sie nur parodieren. Ich wende sie sozusagen zurück – also gegen den Sprecher. Wobei diese Leute, die uns jetzt regieren, mit einem Text wie „das Lebewohl“ überhaupt nichts anfangen können. Weil es ein Sprechen ist, das mit Ironie arbeitet. Und Ironie bedeutet ja Abstand von sich selbst. Und diese Leute haben keinen Abstand von sich selbst.

aus: Christine Dobretsberger: Schreiben als permanente Überschreitung . In: Wiener Zeitung, 1.8.2000.