Christine Dobretsberger:In einem Protestschreiben formulieren Sie, dass man sich nicht
mehr mit den Worten zwischen Macht und Wirklichkeit schieben kann. Wo bleibt dann noch
der Raum für Literatur?
Elfriede Jelinek: Wahrscheinlich außerhalb der Öffentlichkeit. Sobald eine
Verlautbarungssprache in dieser Weise überhand nimmt, kann man sich mit einer
differenzierten bzw. ironisierenden Sprache, die auch wieder einen gewissen Abstand zu
sich selbst bedingt nicht mehr dazwischenzwängen. Weil es Sprachen sind, die auf
verschiedenen Schienen laufen. Also muss Literatur vielleicht das werden, was sie
immer schon war: Etwas Persönliches, etwas Privates. Deshalb habe ich hier auch
fürs Erste meine Stücke zurückgezogen.
Literatur ist somit kein Gegengift der Zeit?
Das kann Literatur, das kann Kunst nicht leisten. Ich glaube, dass die Sprache der
Politik die Politik der Literatur zerstören würde. Man kann sie nur parodieren. Ich
wende sie sozusagen zurück – also gegen den Sprecher. Wobei diese Leute, die uns
jetzt regieren, mit einem Text wie „das Lebewohl“ überhaupt nichts anfangen
können. Weil es ein Sprechen ist, das mit Ironie arbeitet. Und Ironie bedeutet ja Abstand
von sich selbst. Und diese Leute haben keinen Abstand von sich selbst.
aus: Christine Dobretsberger: Schreiben als permanente Überschreitung . In: Wiener Zeitung, 1.8.2000.
Sie spricht mit der amerikanischen Literaturwissenschaftlerin
Irene Compton
über die Rezeption ihrer Texte (z.B.
Stecken, Stab und Stangl
) und das Österreich-Bild in den
USA
und erklärt, dass sie „die Ambivalenz der österreichischen Identität exemplarisch, nicht psychologisch zu fassen“ suche. Als Charakteristikum ihrer
Schreibverfahren
bezeichnet sie den Sprachwitz und verortet ihre Arbeit in der jüdischen (
Judentum
)
Schreibtradition
Österreichs (
Österreich
). Am Beispiel ihres Theatertextes
Totenauberg
spricht sie über die Verarbeitung von
Martin Heidegger
in ihren Werken und führt die oft undifferenzierte Rezeption ihrer Texte darauf zurück, dass sie sich „als Autorin ein Sprechen anmaße, das für Frauen eben nicht vorgesehen ist“ (
Frau
); auch über
Ein Sportstück
.