Pascale Casanova:Und wie war das Echo der Kritik auf Ihr Theater, in der österreichischen Presse?
Elfriede Jelinek: Das hat sich sehr geändert seit meinem Beginn am Theater.
Jahrelang hat mich die Presse verrissen, praktisch vernichtet; jetzt beginnt man immerhin
zu begreifen, daß meine Theatersprache nicht in der Tradition des neunzehnten
Jahrhunderts steht, des psychologischen Theaters also, daß ich vielmehr in die
Tradition eines Beckett gehöre – und allmählich wird der Wert meiner Stücke anerkannt.
Überrascht mich, daß Sie von Beckett sprechen, denn zuerst denkt man doch an Brecht…
[…] Ich sehe meine Arbeit weniger unter dem Einfluß von Brecht als unter dem der
österreichischen Tradition der Sprachkritik, ich denke etwa an den jungen
Wittgenstein, an Karl Kraus, vor allem natürlich an Ödön von Horváth und – in
Deutschland – an Marieluise Fleißer.
aus: Pascale Casanova: Nicht wirklich eine Österreicherin. In: Arnold, Heinz Ludwig: O Österreich. Göttingen: Wallstein Verlag 1995, S. 59-63, S. 59-60.
Sie betont, dass ihre Prosatexte für sie von größerer Wichtigkeit sind als die Arbeiten fürs Theater. Während die Prosawerke „eine künstliche Sprache [...], die ganz und gar konstruiert ist“ aufweisen, könne man sich am Theater „direkter ausdrücken“. In ihrer
Theaterästhetik
bezieht sie sich auf
Samuel Beckett
, ihre Spracharbeit sieht sie in der sprachkritischen
Schreibtradition
Österreichs (
Österreich
) (
Karl Kraus
, Wiener Gruppe). Ein zentraler Aspekt ihres Schreibens sei die Verarbeitung massenmedialer Klischees (
Trivialmythos
). Sie konstatiert, dass die Reaktionen auf ihre Arbeiten fürs Theater in den
Medien
allmählich reflektierter werden, erläutert die Gründe, warum sie ihre Werke fast ausschließlich in deutschen Verlagen publiziert und spricht über die Unterschiede zwischen Österreich und
Deutschland
(z.B. Distanz, Ironie und Selbstironie als Eigenschaften, die in Österreich stärker ausgeprägt wären).