Gerhard Fuchs:Liebe Frau Jelinek, haben Sie überhaupt noch Lust, Interviews zu geben – angesichts
böswilliger Verdrehungen oder absichtlicher Hineindrehungen die erwünschte Antwortspirale oder
dem einfachen Abdrehen, dem rezeptiven nämlich gegenüber den Texten? Oder ist alles anders:
Interviewt Elfriede Jelinek den oder die posierende/n Rollenschauspieler/in, heißt das Spiel
„Interview“, und wer die Regeln kennt, bestimmt die Machtverteilung? Und wer ist dann das Opfer?
Elfriede Jelinek: Ja, das ist eine vertrackte Sache mit den Interviews.
Ursprünglich wollte ich einfach den Leuten wirklich was erklären, damit sie meine Sachen besser
verstehen sollen, ganz naiv, mit diesem 68er didaktischen Impetus, den wir damals alle draufhatten.
Dann habe ich gemerkt, daß das nicht geht, weil die Leute nicht glauben, daß man ihnen etwas
sagen möchte, sondern irgendeine List dahinter vermuten. Daß man also imstande sei, die Medien
geplant für sich zu benutzen. Sogar eine mir sehr wohlgesonnene Germanistin hat ja ihren Aufsatz
eine genau geplante Medienstrategie hinter meinen Interviews gewittert, die ich aber nicht habe.
Außerdem weiß ich natürlich durch meine Arbeit (Michael etc.), daß die Medien IMMER stärker sind
und jede Strategie daher scheitern muss. Man steigt vorne hinein und hinten kommt man faschiert und
in eine Wursthaut gefüllt wieder raus. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum ich keine Interviews
mehr gebe, sondern der Hauptgrund ist inzwischen der, daß es mir unerträglich ist, wie primitiv Aussagen
über die eigenen Texte im Vergleich zur Vielschichtigkeit der Texte selber sind. Außerdem hab ich schon
genug gesagt und aus.
aus: Gerhard Fuchs: „Man steigt vorne hinein und hinten kommt man faschiert und in eine Wursthaut gefüllt wieder raus.“ Ein E-Mail-Austausch. In: Bartens, Daniela / Pechmann, Paul (Hg.): Elfriede Jelinek – Die internationale Rezeption. Graz: Droschl 1997 (= Dossier extra), S. 9-25, S. 9-10.
In diesem sehr ausführlichen Gespräch geht es um Interviews im Allgemeinen, den Umgang der
Medien
mit ihrer Person und die verloren gegangene Solidarität unter KünstlerInnen (
Künstler
,
Künstlerin
); auch über allgemeine Aspekte ihrer
Schreibverfahren
. Als Grund, warum sie keine Interviews mehr geben möchte, gibt sie an, dass es ihr unerträglich geworden sei, „wie primitiv Aussagen über die eigenen Texte im Vergleich zur Vielschichtigkeit der Texte selbst sind“, und weil „die Medien IMMER stärker sind und jede Strategie daher scheitern muß“.