Gesellschaft auf dem OP-Tisch. TIP-Interview mit Elfriede Jelinek

Nachweis

 

Über

Die Aus­ge­sperr­ten

und

Die Kla­vier­spie­le­rin

. Sie spricht über das differenziert-ironische Verhältnis zu ihren Figuren und erläutert ihre

Schreib­ver­fah­ren

, dass es ihr darum gehe, „Gesellschaftskritik durch die Sprache zu machen und nicht einfach nur inhaltlich sozialistischen Realismus“ (

Ge­sell­schaft

). Auch über den realen Kriminalfall, den sie in den

Aus­ge­sperr­ten

verarbeitet hat. Besonders interessiert habe sie daran „nicht der Halbwüchsige, der einen Mord begeht, sondern die Tragödie des intellektuellen Kleinbürgers, der letztlich den ökonomischen Gegebenheiten unterliegt“. Die Figur der Sophie wird mit Erika Kohut verglichen. Positiv äußert sie sich über

Franz No­vot­nys

Verfilmung der

Aus­ge­sperr­ten

und spricht über

VA­LIE EX­PORTs

geplantes Filmprojekt zur

Kla­vier­spie­le­rin

, über

Fe­mi­nis­mus

und Biographisches (

Per­son

). Ihre Arbeit verortet sie in der sprachsatirischen jüdischen (

Ju­den­tum

)

Schreib­tra­di­ti­on

Österreichs (

Ös­ter­reich

) und nennt

Ma­rie­lui­se Fleiß­er

und

Wal­ter Ser­ner

als wichtige Vorbilder.

 

Elfriede Jelinek: Bei den „Ausgesperrten“ finde ich, daß Franz Novotnys ästhetische Methode Filme zu machen, und meine Art zu schreiben, wirklich kongenial sind. Weil wir beide mit dieser Ironie arbeiten und dieser Distanziertheit. [...]

TIP:Inwieweit müssen Sie unterschiedlich arbeiten, wenn Sie einen Stoff wie die „Ausgesperrten“ als Roman, Drehbuch und Hörspiel verarbeiten?

Eigentlich bin ich nicht sehr dafür, die Stoffe so auszunutzen. Klar, wenn ich es nicht nötig hätte, hätte ich es auch nicht gemacht. Wobei gerade bei den „Ausgesperrten“ die Hörspielfassung sehr eigenständig ist, das könnte ich bei der „Klavierspielerin“ nicht, deswegen mach ich es auch nicht. Beim Drehbuch ist es so, daß ich nie alleine eines schreiben könnte, das ist auch bei den „Ausgesperrten“ eine absolute Doppelautorenschaft, der Franz hat da mindestens ebensoviel eingebracht, wenn nicht mehr sogar. Ich meine auch, daß der Regisseur mindestens die Hälfte in den Text miteinbringen muß. Beim Hörspiel ist es so, daß es eine eigenständige Kunstform ist, die ich wirklich alleine beherrsche, es ist ja auch nur Sprache – es ist zwar immer noch eine Regie dabei, aber... im Film kann man auch keine Dialoge schreiben wie im Hörspiel, im Hörspiel kann man eine sehr künstliche Sprache schreiben, das geht im Film nicht, das wird lächerlich. Außer, und das will ich dieses Mal versuchen, man verwendet wirklich eine kongeniale Filmästhetik wie Fassbinder oder Schroeter, denen das gelungen ist – da werden ja auch keine normalen Dialoge gesprochen.

aus: Thomas Honickel: Gesellschaft auf dem OP-Tisch. TIP-Interview mit Elfriede Jelinek . In: tip 22 (1983), S. 160-163, S. 162.

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