Was fallen kann, das wird auch fallen

Nachweis

  • Lux, Joa­chim

    :

    Was fallen kann, das wird auch fallen. In: Programmheft des Wiener Burgtheaters zu Elfriede Jelineks

    2003

    .

 

Ausführliches Interview über

Das Werk

, die österreichische Nachkriegsgeschichte (

Ös­ter­reich

) und den Umgang mit den Verbrechen des

Na­tio­nal­so­zia­lis­mus

, v.a. im Zusammenhang mit dem „Mythos Kaprun“,

Na­tur

und

Tech­nik

, die Klasse der ArbeiterInnen (

Ar­bei­ter

,

Ar­bei­te­rin

), die Intertexte von

Ernst Jün­ger

(vor allem Der Arbeiter ),

Heid­eg­ger

und Spengler, die sprachkritische

Schreib­tra­di­ti­on

in

Ös­ter­reich

und

Ei­nar Schle­ef

. Sie beschreibt den Bau des Kapruner Kraftwerks als einen „der beliebtesten Mythen der Nachkriegszeit“ und wollte mit dem Text veranschaulichen, dass „im Aufbau auch wieder der Niedergang, in diesem Fall der Schrecken des durch Aufbau Vernichteten steckt.“ Im Text spiele sie mit den „verschiedenen Ausprägungen von Arbeiterschaft: der vergötzten (und gleichzeitig politisch kaltgestellten, eingefrorenen) im Realsozialismus und der Verachtung der ArbeiterInnen im Kapitalismus, der dafür aber dem Individuum wieder größere Freiheiten lässt.“ (

Ka­pi­ta­lis­mus

).

 

Joachim Lux:Ihr jüngstes Stück „Das Werk“ steht deutlich in der Tradition Ihrer anderen Attacken auf österreichische Symbole: Jetzt ist der Wiederaufbaumythos der Österreicher, der Staudamm von Kaprun, „dran“ („Das Werk“).

Elfriede Jelinek: In „Das Werk“ wollte ich beweisen, dass im Aufbau auch wieder der Niedergang, in diesem Fall der Schrecken des durch Aufbau Vernichtens steckt. Denn in diesem Bau, der ja für die Zweite Republik mit identitätsstiftend war, sind zwischendurch buchstäblich Menschen einbetoniert worden. Nicht um die Arbeit als solche („Arbeit macht frei“) oder die Aneignung des Gebirges, also der Natur, durch Arbeit zu vergötzen, sondern um Menschen, die durch Zwang zur Arbeit vernichtet wurden (während des Krieges haben Zwangsarbeiter aus allen von den Deutschen unterworfenen Ländern an Kaprun mitgeschuftet), aus der Geschichte wieder hervorzuholen, habe ich das zu fassen versucht. Indem ich diese namenlosen Arbeiter aus dem Boden buchstäblich wieder heraushole, also: entberge, versuche ich, sozusagen das Negativ des Aufbaus darzustellen. Es ist noch sehr die Frage, ob die handelnden Personen ausgerechnet durch etwas wie die Technik ihre eigene Wahrheit erfahren können, oder ob sie eben einfach in der Gefahr umkommen, wobei den durch Zwang ans Werk Gefesselten eben jeder Heroismus von Anfang an versagt wird, während im Extremsport, beim Bergsteigen zum Beispiel oder Schifahren, sich jeder einzelne als Held fühlen kann und darf. Das hat ja nach dem Krieg, als der Staudammbau mit Marshallplan-Hilfe fertiggestellt wurde, wieder funktioniert. Die Helden von Kaprun waren schließlich einer der beliebtesten Mythen der Nachkriegszeit.

aus: Joachim Lux: Was fallen kann, das wird auch fallen. In: Programmheft des Wiener Burgtheaters zu Elfriede Jelineks Das Werk, 2003.

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