o. T.

Nachweis

 

Für die Lesung von Ausschnitten aus

Schat­ten (Eu­ry­di­ke sagt)

durch

Chris­tia­ne von Poel­nitz

(16.5.2014) im Rahmen des von der

For­schungs­platt­form El­frie­de Je­li­nek

in der

Kunst­hal­le Wien

veranstalteten Symposiums

Sinn Egal. Kör­per zweck­los.“ Post­dra­ma­tik – Re­fle­xi­on und Re­vi­si­on

(14.-18.5.2014) antwortete Jelinek auf von

Pia Jan­ke

gestellte Fragen zum Theatertext und las die Antworten als Audioaufnahme ein. Die Antworten wurden bei der Veranstaltung zu Pia Jankes Einleitung, zwischen und am Ende der gelesenen Textausschnitte als Statements eingespielt.

Über den Entstehungskontext, Quellen und die Form des Textes, über ihren Ansatz, dem über Jahrhunderte hinweg männlich tradierten Orpheus-Mythos die Perspektive der Eurydike entgegenzusetzen, das Sprechen der

Frau

in einer patriarchalen

Ge­sell­schaft

(

Pa­tri­ar­chat

) sowie über

Mo­de

und den

Tod

.

 

Elfriede Jelinek: Wenn Eurydike erst wirklich da ist, wenn sie weg ist, also ihr Sein erst gewinnt, indem sie darauf verzichtet, hat sie die Berechtigung zu irgendetwas, das niemand kennt, das nur sie kennen kann. Sie ist ja nichts Halbes und nichts Ganzes. Dafür haben sich die Phantasien der größten Künstler an ihr abgearbeitet, um sie zu erschaffen und, nach ihrem Tod, wieder neu zu erschaffen, für Orpheus, während sie mit ihrem Verschwinden beschäftigt ist. Davor kommen noch die zähen Verhandlungen mit den Göttern der Unterwelt. Der Dreh- und Angelpunkt ist Orpheus, der seine Frau sozusagen erst wirklich erschafft, mit der Absicht, daß sie sich wieder ereignen kann (und natürlich für ihn!), aber in Wirklichkeit läßt er sie endgültig verschwinden. Sonst gäbe es keinen Orpheus-Mythos, der ja im Verschwinden, Wieder-Zurückholen und erneutem Verschwinden besteht. Vielleicht ist es der einzige Weg eines Wesens, das sich nur an einem anderen, dem Mann, messen lassen kann, da es ja selbst nichts ist, im Verschwinden erst wirklich da zu sein (eines Wesens also, das erst im Blick des Mannes überhaupt entsteht, woher und wozu denn sonst all die Schönheitsoperationen, die aufgespritzten Lippen, die gepolsterten Brüste, das viele abgesaugte Fett, das inzwischen wahrscheinlich einen Teil der Menschheit ernähren könnte? Um überhaupt erst erschaffen zu werden, also: sich selbst zu erschaffen. Da sind schöne Kleider noch das Harmloseste, die tun wenigstens nicht weh). Eine schöne Aufgabe für Zwischenwesen, wie Nymphen es sind. Mir fällt dazu auch Undine ein. „Undine geht“ hat die Bachmann geschrieben. Oder immer wieder aufzutauchen in diesem Verschwinden. Orpheus allerdings wird es kein zweites Mal schaffen, da runterzukommen. Er wird von seinen weiblichen Fans zerrissen. Die lustigerweise ihn, den Star, letztlich auch wieder erschaffen haben. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

aus: Pia Janke: o. T. , 16.5.2014.