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Nachweis
-
Carp, Stefanie
:
Ich bin im Grunde ständig tobsüchtig über die Verharmlosung. In: Schauspiel-Magazin 11/
1996
.
auch in:
-
Carp, Stefanie
:
Ich bin im Grunde ständig tobsüchtig über die Verharmlosung. In: Programmheft des Deutschen Schauspielhauses Hamburg zu Elfriede Jelineks
1996
.
-
Carp, Stefanie
:
Das katastrophalste Ereignis der Zweiten Republik. Gespräch.
gekürzt
In: Theater der Zeit 3/
1996
, S. 90-91
(gekürzt, Titel: Das katastrophalste Ereignis der Zweiten Republik. Gespräch )
.
-
Carp, Stefanie
:
„Ich bin da besessen“. In: Falter 14/
1996
(Titel: „Ich bin da besessen“ )
.
-
Carp, Stefanie
:
Beim Schreiben bin ich Triebtäterin.
gekürzt
In: Freitag,
19.4.1996
(gekürzt, Titel: Beim Schreiben bin ich Triebtäterin )
.
-
Carp, Stefanie
:
Ich bin im Grunde ständig tobsüchtig über die Verharmlosung. http://www.elfriedejelinek.com/fstab.html (15.7.2014)
Mai/Juni 1996
(= Elfriede Jelineks Website, Rubrik: zum Theater).
-
Carp, Stefanie
:
Ich bin im Grunde ständig tobsüchtig über die Verharmlosung. In: Programmheft des Schauspiel Leipzig zu Elfriede Jelineks
1997
.
-
Carp, Stefanie
:
Ich bin im Grunde ständig tobsüchtig über die Verharmlosung.
gekürzt
In:
Janke, Pia
:
Die Nestbeschmutzerin. Jelinek & Österreich.
Salzburg
:
Jung und Jung
2002
, S. 102-103
(gekürzt)
.
Stefanie Carp:Ich glaube, es ist das erste Mal, daß Sie ein Stück geschrieben haben, dessen
Text sich so direkt auf ein aktuelles Ereignis bezieht. Haben Sie das Gefühl, daß Sie anders
geschrieben haben, war Ihr Impuls ein anderer? Elfriede Jelinek: Die Methode des Schreibens ist keine andere als in anderen
Texten. Aber ich würde sagen, daß meine Betroffenheit größer ist. Für mich ist die
Ermordung der Roma das katastrophalste Ereignis der Zweiten Republik. Ein
Meuchelmord an vier unschuldigen und unbeteiligten Männern, die ohnehin schon ein
unglaubliches Maß an Verfolgungen in diesem Land haben hinnehmen müssen.
Die Leute, die sie damals verfolgt haben, sind immer noch da. Zum Beispiel der
SS-Oberführer und Blutordensträger Tobias Portschy, der immer noch im
Burgenland unangefochten lebt und sogar Landeshauptmann war. Ich bin immer, auch
wenn ich über Frauenthemen schreibe (oder überhaupt, wenn ich für das Theater
schreibe), emotional sehr beteiligt. Ich bin im Grunde beim Schreiben eine
Triebtäterin. In diesem Fall war ich nicht nur empört. Ich hatte den Wunsch, einer so
unterdrückten Minderheit, die unter unglaublichen Umständen lebt, deren Kinder alle
automatisch in Sonderschulen abgeschoben werden, die also gar keine
Möglichkeit zur Bildung bekommen, diesen Menschen das Äußerste, was ich mir in meiner
Kunst erarbeitet habe, zur Verfügung zu stellen: Für die, die sprachlos sind oder
deren Sprache wir nicht verstehen, zu sprechen, das war mir sehr wichtig.
Elfriede Jelinek: [...] Für mich ist die Ermordung der Roma das katastrophalste
Ereignis der Zweiten Republik. Ein Meuchelmord an vier unschuldigen und
unbeteiligten Männern, die ohnehin schon ein unglaubliches Maß an Verfolgungen in
diesem Land haben hinnehmen müssen. [...] Ich hatte den Wunsch, einer so
unterdrückten Minderheit, die unter unglaublichen Umständen lebt, deren Kinder alle
automatisch in Sonderschulen abgeschoben werden, die also gar keine Möglichkeit
zur Bildung bekommen, diesen Menschen das Äußerste, was ich mir in meiner
Kunst erarbeitet habe, zur Verfügung zu stellen: Für die, die sprachlos sind oder
deren Sprache wir nicht verstehen, zu sprechen, das war mir sehr wichtig. [...] Stefanie Carp:In diesem Text sind es die kollektiven Sprachen der Täter oder besser gesagt
der indirekten Mittäter, der Medien, die das Ereignis verharmlosen, und des alltäglichen
Geschwätzes, und die werden dann wieder gebrochen durch zitierte literarische Sprache. In diesem Fall sind es Fetzen aus Celan-Gedichten. Ich wollte hier mit Celan
arbeiten. Er ist auch eines der Opfer, das sich dann nachträglich noch ertränkt hat, weil er
gesehen hat, daß weder ein Heidegger (der auch durch zwei oder drei kleine Zitate
in dem Text vertreten ist) noch irgend jemand sonst Einsicht zeigt und daß sich im
Grunde nichts ändert. Celan ist aus der Bukowina, die einmal zur Monarchie gehört
hat, ein ostjüdischer Autor aus diesem einstmals so reichen Kulturkreis. Was bedeutet der Titel „Stecken, Stab und Stangl“? „Stecken und Stab“ ist ja klar, aus den Psalmen Davids. „Staberl“ als Name ist einer
der Kolumnisten der Kronen-Zeitung, der an der Verschärfung des Klimas in
Österreich großen Anteil hat; an der „Verhausmeisterung“, wie die Sigrid Löffler das
einmal genannt hat: „Housemaster’s voice“ – so wie Bruno Walter den Anschluß
Nazi-Deutschlands an Österreich einmal die „Verlederhosung“ Österreichs nannte.
Damit ist gemeint: die Herrschaft des Pöbels und eigentlich auch des Ländlichen.
Denn das Haider-Phänomen läßt sich eigentlich nur durch die Herrschaft des
ländlichen Pöbels erklären, dem die stark multikulturell gemischte, schnelle,
undurchschaubare Kultur der Großstadt fremd geblieben ist. Dieses gesunde
Volksempfinden macht mir große Angst. [...] Mit „Stangl“ ist Franz Stangl gemeint, der
Kommandant von Treblinka, der auch mit Zitaten vorkommt, zum Beispiel: „An
manchen Tagen mußten wir an die 18.000 durchlaufen lassen.“ Und damit meint
er: durch das Krematorium. In dem Titel liegt schon die ganze Vieldeutigkeit der
Sprachflächen. Man kann unendlich viele Bedeutungen zu den Worten und Namen
assoziieren. Im Stück heißt jeder Mann Stab. Es sind die Masken, die in jedem von
uns stecken, wenn man nicht seine Handlungen kontrolliert und ständig überprüft
nach Fanatismus und Ausschluß des Anderen.
Anlässlich der Uraufführung von
Stecken, Stab und Stangl
am
Deutschen Schauspielhaus Hamburg
; über die Roma-Morde, die österreichische (
Österreich
) Öffentlichkeit (
Medien
), ihre
Schreibverfahren
(
Celan
-Zitate) und die nicht zur Ruhe kommende Geschichte (
Nationalsozialismus
) des Landes. In
Stecken, Stab und Stangl
gehe es ihr darum, „die Demoralisierung und Verwahrlosung der österreichischen Öffentlichkeit aufgrund der Verkommenheit der österreichischen Presse“ aufzuzeigen. Die Ermordung der Roma bezeichnet sie als „das katastrophalste Ereignis der Zweiten Republik“. Ihren sprachästhetischen Ansatz (
Schreibverfahren
,
Theaterästhetik
) beschreibt sie als „kontrapunktisches Verfahren“, bei dem sie versucht, „den Sprachduktus zu brechen in verschiedene Sprachmelodien und Sprachrhythmen“.
Das Interview findet sich auch auf der CD-Rom Elfriede Jelinek – Facetten einer Unerbittlichen , die Unterrichtsmaterialien zur Autorin enthält.