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Nachweis
-
Dreyer, Matthias
:
Man muss sogar immer scheitern, wenn man denkt. In: Programmheft des Deutschen Schauspielhauses Hamburg zu Elfriede Jelineks
2002
.
Matthias Dreyer:Ihr neuester Theatertext heißt „Prinzessinnendramen“. Warum enden Prinzessinnen im Drama? Elfriede Jelinek: „Prinzessinnendramen“ ist natürlich ironisch gemeint, denn die
Frau ist kein großes dramatisches Subjekt (obwohl viele Dramen dem zu widersprechen
scheinen), und daher kann sie auch nicht Protagonistin eines Dramas sein. Die
Frau konstituiert sich, als die Unterlegene, nur in der Spiegelung durch den Mann,
der sie immer nur sich selbst ins Gesicht wirft, und durch die Bilder, denn nur ihr
Aussehen und ihre Jugend können ihr Wert verleihen, nie das Denken. Der Mann
kann sich durch intellektuelle oder ökonomische Leistung einen höheren Wert
verleihen in einer Weise, die der Frau nicht möglich ist. Daher ist es auch ironisch zu
verstehen, wenn ich Prinzessinnen zu Trägerinnen großer Dramatik mache, sie sind
eben nur Aus-Trägerinnen von Beschlüssen, die andere für sie fassen (sogar Jackie
O.), Wasserträgerinnen. Werbeträgerinnen (für Junggesellenmaschinen wie Autos,
etc.). Warum tauchen die alten Märchenfiguren in ihren Stücken wieder auf? Ich brauche für meine Texte immer Anstöße, die mich vorantreiben, oder gegen
die ich vorgehen kann. Die Textmuster der alten Märchen mit ihren
sadomasochistischen Verstrickungen zwischen Prinzen, Prinzessinnen, Tieren, Mägden
und Knechten, etc. bieten Anlass zu Paraphrasen oder Entschlüsselungstheorien.
Codiert befinden sich in ihnen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die von
mir aus einem Hintergrund aus scheinbarer Unschuldigkeit und deren Mythen
herausgeschält werden, zumindest versuche ich das (in anderen Texten wieder
versuche ich dasselbe mit Kriminalfällen oder Katastrophen, in denen ich
gesellschaftliche Mechanismen gebündelt sehe, und diese Bündel reiße ich auseinander
wie Heugarben). Definiert sich Weiblichkeit über das Märchen? So kann man das nicht sagen. Weiblichkeit definiert sich über das Andere, an dem
es gemessen wird, sie definiert sich als Objekt gegen ein Subjekt, von dem sie, die
Weiblichkeit, konstituiert wird. Das Märchen ist ja nur die Ebene des Symbolischen
(wie die Werke der Klassiker), auf der das Schlachtfeld hergerichtet und bestückt
wird. Nur stehen Gewinner und Verlierer von vorneherein fest: Außer Haus
gewinnt der Mann, im Haus, wo sie keinen öffentlichen, sondern nur privaten
Schaden anrichten und harmlos gemacht werden kann, die Frau. Meine Prinzessinnen
sind natürlich Scheiternde, und es steht ihnen, selbst wenn sie Macht zu haben
scheinen, keine Form von Grandiosität zu. Es hilft natürlich sehr, wenn sie keinen
Körper haben (die Ikone Jackie O. im Gegensatz zum „Sexsymbol“ Marilyn
Monroe, das seinen Körper zum Markt tragen musste, während Jackie das nur mit ihren
Bildern tun musste).
Matthias Dreyer: Ihr neuester Theatertext heißt „Prinzessinnendramen“. Warum enden Prinzessinnen im Drama?Elfriede Jelinek: „Prinzessinnendramen“ ist natürlich ironisch gemeint, denn die Frau ist kein großes dramatisches Subjekt (obwohl viele Dramen dem zu widersprechen scheinen), und daher kann sie auch nicht Protagonistin eines Dramas sein. Die Frau konstituiert sich, als die Unterlegene, nur in der Spiegelung durch den Mann, der sie immer nur sich selbst ins Gesicht wirft, und durch die Bilder, denn nur ihr Aussehen und ihre Jugend können ihr Wert verleihen, nie das Denken. Der Mann kann sich durch intellektuelle oder ökonomische Leistung einen höheren Wert verleihen in einer Weise, die der Frau nicht möglich ist. Daher ist es auch ironisch zu verstehen, wenn ich Prinzessinnen zu Trägerinnen großer Dramatik mache, sie sind eben nur Aus-Trägerinnen von Beschlüssen, die andere für sie fassen (sogar Jackie O.), Wasserträgerinnen. Werbeträgerinnen (für Junggesellenmaschinen wie Autos, etc.). Warum tauchen die alten Märchenfiguren in ihren Stücken wieder auf?Ich brauche für meine Texte immer Anstöße, die mich vorantreiben, oder gegen die ich vorgehen kann. Die Textmuster der alten Märchen mit ihren sadomasochistischen Verstrickungen zwischen Prinzen, Prinzessinnen, Tieren, Mägden und Knechten, etc. bieten Anlass zu Paraphrasen oder Entschlüsselungstheorien. Codiert befinden sich in ihnen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die von mir aus einem Hintergrund aus scheinbarer Unschuldigkeit und deren Mythen herausgeschält werden, zumindest versuche ich das (in anderen Texten wieder versuche ich dasselbe mit Kriminalfällen oder Katastrophen, in denen ich gesellschaftliche Mechanismen gebündelt sehe, und diese Bündel reiße ich auseinander wie Heugarben). Definiert sich Weiblichkeit über das Märchen?So kann man das nicht sagen. Weiblichkeit definiert sich über das Andere, an dem es gemessen wird, sie definiert sich als Objekt gegen ein Subjekt, von dem sie, die Weiblichkeit, konstituiert wird. Das Märchen ist ja nur die Ebene des Symbolischen (wie die Werke der Klassiker), auf der das Schlachtfeld hergerichtet und bestückt wird. Nur stehen Gewinner und Verlierer von vorneherein fest: Außer Haus gewinnt der Mann, im Haus, wo sie keinen öffentlichen, sondern nur privaten Schaden anrichten und harmlos gemacht werden kann, die Frau. Meine Prinzessinnen sind natürlich Scheiternde, und es steht ihnen, selbst wenn sie Macht zu haben scheinen, keine Form von Grandiosität zu. Es hilft natürlich sehr, wenn sie keinen Körper haben (die Ikone Jackie O. im Gegensatz zum „Sexsymbol“ Marilyn Monroe, das seinen Körper zum Markt tragen musste, während Jackie das nur mit ihren Bildern tun musste).
Über die
Prinzessinnendramen
,
Franz Schuberts
Musik
und die Impulse, zu schreiben.