Peter von Becker:In Ihrem neuen „Sportstück“,
das in Einar Schleefs Burgtheater-Inszenierung
als heilig-unheiliges Monster dieser Saison beim Berliner Theatertreffen gastiert,
kehren Sie zum antiken Chorus zurück und entwerfen riesige monologische Redepartien.
Elfriede Jelinek: Es geht darum, daß der Sport als Organisationsform der größten
Banalität auf das Höchste trifft, das es gibt: auf die Form der antiken Tragödie.
Im Zusammenprall der größtmöglichen Gegensätze wird durch das Paradoxe hindurch
auch wieder etwas Persönliches und Familiäres sichtbar. Das hat wohl auch
Schleef angeregt; zumal es hier noch das Mutter-Opfer gibt, ein Mütter-Schlachten:
durch mich als Autorin, durch ihn als Regisseur. [...]
Meinten Sie mit Schleefs „Mutterschlachten“ auch die Opferung der Autorin als Mutter
des Stücks?
Nein (lacht), er hat aber gleichfalls eine komplizierte Mutter-Bindung. Darüber haben
wir nie geredet, aber er hat es in seinem Roman „Die Mutter“ erzählt. Das ist
gleichfalls ein Abstraktionsvorgang, so wie ich als Opfer einer Mutter mit ihr hier
den Vatermord inszeniere: nochmals ein Sakrileg und eine fast parodistische Gegensetzung.
Alles ist ein Spiel um den blutigen Ernst. [...]
Die These Ihres Stückes lautet verkürzt: Sport ist Mord.
Das durchzieht alle meine Bücher: der Haß auf den Sport. Dabei geht’s nicht um
den Sport an sich, sondern um Massenphänomene und Gewalt. Kein junger Mann
kann in den Krieg ziehen, der vorher nicht Sport getrieben hat. Es geht um die Vergötzung
von Körperkräften und die Verachtung intellektueller oder künstlerischer
Tätigkeit. Ich habe auch ganz reale Angst vor Sportfanatikern, vor Menschen- und
Männermassen. Außerdem haben wir in Österreich eine Rechte, die sich betont
sportlich gibt, mit dem derzeit wohl einzigen charismatischen rechten Führer auf
der Welt – der sein gebräuntes, sportlich gestähltes Auftreten sehr bewußt kultiviert.
aus: Peter van Becker: „Alles ist ein Spiel um den blutigen Ernst.“ Ein Gespräch mit der österreichischen Schriftstellerin
über Theater, Politik und blutige Pornographie. In: Der Tagesspiegel, 20.5.1998.
Über ihre
Theaterästhetik
,
Ein Sportstück
und den Hass auf das Phänomen
Sport
, den sie mit (männlicher)
Gewalt
(
Mann
) und
Krieg
assoziiert. Auch über die politische Situation (
Politik
) in
Österreich
und
Deutschland
.