Heinz Sichrovsky:Man erwartet von Ihnen eine hochpolitische Dankesrede.
Elfriede Jelinek: Es wird eher eine sprachspielerische Rede über die Doppeldeutigkeit der Wörter. Seinerzeit, zum Böll-Preis, war ich mit der Rede „Im Waldheim und auf dem Haider“ sehr politisch. Ich dachte mir, das sei jetzt nicht mehr nötig, und jetzt ist die Rede fertig und zum Abdruck verschickt. Leider habe ich mich geirrt: Die Rede von Walser zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels war derart empörend, daß ich reagieren hätte sollen. Da stimmt einer das Lied des Unpolitischen an und spricht von „Instrumentalisierung des Holocaust“. Mit anderen Worten: Leute, die sich engagieren, werden heruntergemacht – so wie ich es selbst ja auch immer wieder erlebe –, und das Unpolitische wird gelobt. Da kriegʼ ich schon einen Haß. Überhaupt frage ich mich, wie Herr Walser zum Friedensnobelpreis kommt. Den bekommen sonst Autoren, die in Diktaturen ihr Leben für die Demokratie eingesetzt haben. Ich wüßte gern, was Herr Walser eingesetzt und was er in seinem Leben riskiert hat.
aus: Heinz Sichrovsky: „Empört über Martin Walser“ . In: News, 15.10.1998.
Anlass für das Gespräch war die Verleihung des
Georg-Büchner-Preises
an die Autorin. Sie bringt ihre Empörung gegenüber
Martin Walser
zum Ausdruck, der in seiner Rede zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels von einer Instrumentalisierung des Holocaust (
Judenvernichtung
,
Nationalsozialismus
) sprach. Auch der Schwerpunkt bei den
Salzburger Festspielen
1998 wird thematisiert.