Ich tackere mich an der Wirklichkeit fest,
so wie sie mir dargeboten wird, amalgamiert, gereinigt,
durch fremde Meinungen gefiltert (und, im Gegensatz zu einem anständigen
Filter, der sie rausholen soll, mit Giftstoffen angereichert, denen ich
noch ein paar hinzufüge, denn ich brauche was Saftiges fürs Schreiben,
und da ich meist kein Fleisch in meiner Nähe habe, keine Menschen,
muß ich halt alles nehmen, die ganze Erde, das ganze Wasser, das ganze Atom,
na, das ist wenigstens sehr klein, den ganzen Dreck, Schlamm, Lehm,
aus dem ich dann auch keine Menschen mache, ich bin ja kein Gott,
der Menschen erschafft, nicht einmal auf dem Papier könnte ich das,
denn ich habe keine Vorstellung, warum Sie jetzt ausgerechnet in diese Vorstellung gehen,
wo Sie etwas von mir erfahren, das Sie zu Hause bequemer bekommen könnten,
von dort habe ich es ja her!) danke fremde Meinung, vielen Dank: Das ist gut,
daß sie mir zur Verfügung gestellt werden, denn ich habe keine eigene.
Aber sie werden nicht mir zur Verfügung gestellt, sondern immer vielen,
es ist wahr, wieso interessiert das Parasitärdrama (vielleicht tut es das ja gar nicht),
wenn sich jeder jeden Tag sein eigenes schreiben könnte, sogar viele, unzählige davon?
aus: Elfriede Jelinek: Das Parasitärdrama . In: Theater heute. Jahrbuch 2011, S. 96-101, S. 98.
Über ihre
Theaterästhetik
sowie die Bezüge ihrer Theatertexte zur Wirklichkeit und das Abarbeiten an dieser. Reaktion auf
Peter Handke
, der in einem Interview mit
Heinz Sichrovsky
für die Sendung erlesen Jelineks Theatertexte als parasitär bezeichnete („Für mich ist es, ich sage es ganz ernsthaft, parasitäres Schreiben.“). Im Rahmen des Artikels „Jemand musste das tun“ (
Jelinek, Elfriede
:
„Jemand musste das tun“. In: News,
11.11.2010
.
) wurde
Handkes
Statement abgedruckt.