Eine Partie Dame

Cover des Erstdrucks, 2018

Abdrucke

Erstveröffentlichung:

Personen

Andzrej, 1. Mann, 2. Mann, Dicke Dame, Junger Mann, Weinvertreter, Freundin, Lisa, Klaus, Kartenspieler, Hure 1, Hure 2, Ivan, Mutter, Wissenschaftler, Dame, Mann, Techniker, Frau, Janka, Mutter, Vorgesetzte, Reporter, Jude 1, Ilonka, Hundebesitzer, Schwester, Sekretärin, Mann 1, Mann 2, Anwalt, Ingenieur, Hausmeister, Wissenschaftler, Nahkämpfer, Angler, Fahrer, Adventistin.

 

Jelineks Drehbuch Eine Partie Dame stammt aus dem Jahr 1981. In den 1980er Jahren planten Regisseur

Rai­ner Boldt

und

Hel­mut Wietz

eine Verfilmung mit ihrer Produktionsfirma Common Film. Da die benötigten Fördermittel ausblieben, konnte das Projekt nicht realisiert werden. Das Drehbuch wurde von

Wolf­gang Ja­cob­sen

wiederentdeckt und 2018 im Berliner Verbrecher Verlag publiziert. Der Abdruck folgt der zweiten, auf Anregung von

Boldt

überarbeiteten Fassung.

Das Drehbuch ist in 70 Szenen gegliedert. Schauplatz der Handlung ist Wien (

Ös­ter­reich

) im Kalten

Krieg

gegen Ende der 1970er Jahre. Im Zentrum stehen Andzrej und Lisa. Andzrej ist polnischer Jude und zentrale Figur eines Agentenrings, der westliche Technologie (

Tech­nik

) in die DDR (

Kom­mu­nis­mus

) schmuggelt. Zur Deckung betreibt er ein Lokal. Lisa ist Theaterwissenschaftsstudentin aus bürgerlichem Haus. Die beiden beginnen eine Affäre. Während Andzrej in der Beziehung ein rein sexuelles Vergnügen sieht, glaubt Lisa ihre große Liebe gefunden zu haben. Nachdem Lisa zunehmend Andzrejs Schmuggelgeschäfte stört, weist er sie endgültig zurück. Daraufhin ersticht ihn Lisa mit einer Schere (

Ge­walt

).

Neben der Thematisierung der politischen Verhältnisse (

Po­li­tik

) im Kalten Krieg, verhandelt das Drehbuch die Unterdrückung der

Frau

(

Se­xua­li­tät

) durch das

Pa­tri­ar­chat

.

Die Regieanweisung beinhaltet detaillierte Angaben zum Milieu, die vor allem sprachliche Besonderheiten wie das Vorkommen verschiedener Fremdsprachen, Dialekte und Akzente betreffen.

Anlässlich der Präsentation des Drehbuchs fand am 23.4.2018 eine Lesung mit den SchauspielerInnen

Iris Be­cher

und

Ha­rald Schrott

und dem Verleger

Jörg Sun­dermei­er

im Österreichischen Kulturforum Berlin statt.

 

Das wesentliche Element in diesem Projekt ist die Atmosphäre Wiens. Jener Torso von einer Stadt, die früher Mittelpunkt eines riesigen Reichs war und jetzt am Blinddarmende von Westeuropa liegt, an der Grenze zu Staaten mit einem anderen Gesellschaftssystem. Bekannt ist ja, daß diese Stadt ein Agentenzentrum ist, sowohl für politische als auch für technologische Spionage. Was mir – außer der typischen Wiener Atmosphäre der Wurschtigkeit, des Laissez-faire und der allgemeinen Düsternis – auch wichtig ist, sind die Relikte der alten Kultur der Monarchie (des Vielvölkerstaats). Daher die Verwendung von verschiedenen Fremdsprachen wie Polnisch, Tschechisch, Serbokroatisch, Ungarisch, Russisch, sowie verschiedener deutscher Dialekte, Emigrantenmilieu also, das Milieu der großen Flüchtlingslager (Rückwanderer aus Israel etc.). In seiner Tristesse, die jedoch mit großer Leichtigkeit gepaart sein soll, sowie mit ironischer Distanzierung und Distanzierungsfähigkeit, ein Element, das typisch für den österreichisch-jüdischen Kulturkreis ist, muß ein unverwechselbares Bild einer unverwechselbaren Stadt entstehen, einer Stadt, die als einzige in Westeuropa noch nicht amerikanisiert ist.

aus: Elfriede Jelinek: Eine Partie Dame . Hg. v. Wolfgang Jacobsen und Helmut Wietz. Berlin: Verbrecher 2018, S. 7-8.

Mehr unter Drehbücher und Texte für Filme

Drehbücher und Texte für Filme
Drehbücher und Texte für Filme