Es ist ein heißes Chaos, aus dem das alles kommt, und das sollte bewahrt werden oder immer neu hervorgebracht, je nachdem. Es klafft auf, das Chaos, und spuckt etwas aus, aber Menschen sind es nie. Es ist Sprechen und aus. Bei mir: noch lange nicht aus. Es dauert seine Zeit, die davor meine Lebenszeit war. Ich weiß schon: meist zu lang! Aber bitte bedenken Sie: Das Sprechen ist vielleicht dieses Chaos, aus dem ich mit meiner Charon-Stange, mit der ich das Totenfloß voranstake (denn Sprechen ist für mich: dem Tod für eine Weile entkommen oder wenigstens ein paar dorthin mitnehmen), ein paar Fetzen Sprechen herausfische, hervorstoße, Fetzen, die immer Teil eines in größten Teilen unsichtbaren, ungeordneten Ganzen sind, das nie ein Ganzes wird, denn das Ganze würde Ordnung ja voraussetzen.
aus: Elfriede Jelinek: Es ist Sprechen und aus. http://www.elfriedejelinek.com/fachtung.html (15.7.2014), datiert mit 15.11.2013 (= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Aktuelles 2013, zum Theater).
Der Text wurde für den vom
Burgtheater
von 11.-13.10.2013 veranstalteten Jubiläumskongress Von welchem Theater träumen wir? Jubiläumskongress anlässlich von 125 Jahren Haus am Ring 1888-2013 verfasst. Er wurde als Grußbotschaft im Rahmen der Festmatinee am 13.10.2013 von den Schauspielerinnen
Petra Morzé
,
Barbara Petritsch
und
Johanna Wokalek
abwechselnd vorgelesen; über das „Chaos“ ihrer Theatertexte, in das RegisseurInnen Ordnung bringen, indem sie den Text aufteilen und Figuren erschaffen (
Theaterästhetik
).