„Für ihn hätte ich alles getan“

Abdrucke

auch in:

 

Zum Tod

Ei­nar Schle­efs

; Nachruf. „Es ist ein entsetzlicher Verlust für mich.“, „Ich bin vollkommen gebrochen, untröstlich“.

 

Ei­nar Schle­ef

ist vollkommen allein, schon am 21.7., im Krankenhaus gestorben. Es waren keine Angehörigen aufzutreiben, also hat sich die Verwaltung des Krankenhauses offenbar an seinen Anwalt gewandt. Auf meinen letzten Brief mit ungelenken Genesungswünschen hat er nicht mehr geantwortet. An seinem Todestag, von dem ich nicht wußte, daß er es sein würde, habe ich einen kleinen Text über ihn geschrieben, für eine Fotografin, eine gemeinsame Bekannte, die ihn oft fotografiert hat. Mein letztes Stück hat er beinahe fertig inszeniert, bevor er seinen ersten Herzanfall hatte. Ich hoffe, man findet irgendwo eine Kassette, auf der er sich selbst in der Rolle meines Vaters („Der Wanderer“) beim Üben kontrolliert hat. Ich wäre sehr glücklich, wenn ich sie als Andenken haben könnte. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Bitte lesen Sie seine Bücher! Das muß sein! Schleef war als Dichter und als Theatermann die herausragendste Erscheinung, die ich kennengelernt habe. Es hat nur zwei Genies in Deutschland nach dem Krieg gegeben, im Westen

Faß­bin­der

, im Osten

Schle­ef

. Sie waren beide unersättlich, aber nur, um umso mehr geben zu können. Am Schluß haben sie sich selbst gegeben. Sie sind über sich gestolpert und haben ihr Herz ausgespuckt. So stelle ich Spießerin es mir vor. Beide sind nicht alt geworden. Es ist ein entsetzlicher Verlust für mich.

aus: Elfriede Jelinek: „Für ihn hätte ich alles getan“ . In: Format, 6.8.2001.

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