Die Schauspieler haben die Tendenz, falsch zu sein, während ihre Zuschauer echt sind.
Wir Zuseher sind nämlich nötig, die Schauspieler nicht. Daher können die Leute auf der Bühne vage bleiben,
unscharf. Accessoires des Lebens, ohne die wir wieder hinausgingen, die Handtaschen in die schlaffen Armbeugen geklebt.
Die Darsteller sind unnötig wie diese Tascheln, enthalten, gleich schmutzigen Taschentüchern,
Bonbondosen, Zigarettenschachteln, die Dichtung! die in sie abgefüllt wurde.
Verschwommene Gespenster! Produkte ohne Sinn, ist ihr Sinn doch das „Produkt einer überwachten
Freiheit“ (Barthes). Für jeden Spielzug auf der Bühne gibt es eine so und so große Freiheitsmenge,
von der sich der Schauspieler bedienen darf. Die Lacke Freiheit ist da, und der Schauspieler,
nehmen Sie sich bitte! holt sich seinen Saft, sein Kammer-Wasser, seine Sekrete.
Daran ist nichts Geheimes. Er klebt seinen Rotz daneben. Aber was und wieviel er sich auch
nimmt von seinem Teil an Gesten Herumstolzieren, Plappern muß imitiert werden können, denn
er und andre wie er müssen es genauso nachmachen können.
aus: Elfriede Jelinek: Ich möchte seicht sein. In: Fuchs, Christian (Hg.): Theater von Frauen: Österreich. Frankfurt am Main: Eichborn 1991, S. 187-190, S. 188-189.
Über das Theater und dessen DarstellerInnen (
Theaterästhetik
). Sie wolle mit ihren Stücken keine fremden Leute zum Leben erwecken, sondern eine andere Art von Theater. Die SchauspielerInnen sollten sagen, was kein Mensch im richtigen Leben sage. Eine Textpassage der Fassung von 1986 ist mit einer Passage des Theatertextes
Krankheit oder Moderne Frauen
(1987) und des darauf beruhenden Hörspieltextes
Erziehung eines Vampirs
(1986) verwandt.