Kasperl und die dicke Prinzessin oder Kasperl und die dünnen Bauern

Produktion

Leitungsteam

SprecherInnen

Hans Cla­rin

(Der alberne Kasperl),

Ste­fan Wig­ger

(Sein Freund Pezi),

Mar­ti­na Krau­el

(Die kluge Gretel),

Il­se Neu­bau­er

(Die dicke Prinzessin),

Heinz Schmidt

(General von Schürer),

Ernst Ja­co­bi

(Der Ausrufer),

Ur­su­la Di­richs

(Eine Hofdame),

Horst Beil­ke

(Der König),

Wolf­gang Reich­mann

(Ansager),

Ot­to Bo­lesch

(Bauer),

Hans-Hel­mut Dic­kow

(Bauer),

Ed­gar Hop­pe

(Bauer),

Heinz Mei­er

(Bauer),

Lot­te Hardt

(Bauersfrau),

An­ne­ma­rie Schra­diek

(Bauersfrau).

Erstsendung

  • 10.11.1974

 

Hans-Jo­chen Scha­le

, der Chefdramaturg der SDR-Hörspielredaktion, schlug Jelinek vor, einen Hörspielbeitrag für die Reihe Hörspiel für Kinder zu schreiben. Jelinek verfasste daraufhin den Hörspieltext Kasperl und die dicke Prinzessin oder Kasperl und die dünnen Bauern , das im Rahmen der Reihe gesendet wurde.

Der Text für das Hörspiel verarbeitet Elemente von Kasperlstücken und

Mär­chen

und thematisiert die Mechanismen von

Ka­pi­ta­lis­mus

, Macht, Autoritätshörigkeit und

Aus­beu­tung

in der

Ge­sell­schaft

. Die übertriebene Verwendung von Diminutiven und Reimen in den Textsequenzen des Kasperl und der häufige Einschub moralisierender Belehrungen parodiert die Sprache herkömmlicher Kasperlsendungen im Kinderprogramm.

Kasperl und sein Freund Pezi sind die opportunistischen Unterstützer des Königs und seiner Herrschaft. Während sie sich an den Königshof begeben, um dort um die Hand der dicken Prinzessin zu werben, die demjenigen zur Frau versprochen wird, der sie um ihrer Gesundheit willen dazu überreden kann, in Zukunft weniger zu essen, fristen die ausgebeuteten Bauern ihr Dasein in größter Not. Damit die Prinzessin laufend Fleisch und Süßigkeiten essen kann, müssen die Bauern all ihre Erträge abliefern und selbst hungern. Gretel gelingt es, die Bauern zum Aufstand zu überreden. Die Bauern überwinden die Unterdrücker und teilen Land und Besitz neu und gerecht untereinander auf.

Ein weiteres Werk, in dem Jelinek auf Elemente des Kasperltheaters zurückgreift, ist ihr Theatertext

Ich lie­be Ös­ter­reich

, der im Jahr 2000 im Rahmen von Christoph Schlingensiefs Aktion Bitte liebt Österreich – Erste österreichische Koalitionswoche entstand.

 

Gretel: Is nix drin im Topf. Heute gibt’s einen Krautkopf in Wasser gedünstet mit einer Prise Salz dazu. Nix zum Auslecken.
Kasperl: Aber wir haben doch ein fröhliches Gemüt, Gretel, uns macht das doch nichts. Wenn nur unser Fräulein Prinzessin genug hat, dann sind wir schon zufrieden. Frohe Kinder sind brave Kinder, und der gute König mag nur frohe Kinder, solche, die dauernd sagen: Wir wollen mehr zu essen, die mag der gute Herr König gar nicht gerne. Wenn wir nicht zufrieden sind mit dem, was wir haben, dann weint unser guter Herr König, huhu! Dann weint der arme gute Herr König! (beide weinen) Deswegen freuen wir uns jetzt auf den guten Krautkopf. Unser Herr König darf nicht weinen.
Pezi: Auch Pezilein freut sich auf das Kraut. Damit sich der Herr König freut. Jetzt freut sich gerade der Herr König! Juchu! Juchu!
Gretel: Eure Nerven möcht ich haben! Auch noch zufrieden sein. Und das mit einem Krautkopf ohne Butter. Pfui Teufel!
Kasperl: Böse, böse Gretel. Der Herr König hat dich jetzt gar nicht mehr lieb. Und ihr, liebe Kinder daheim an den Apparaten, vergeßt nie auf euer Tischgebet!
Pezi: Böses Gretilein! Wir geben dir jetzt ein gutes Beispiel, ja? Los! Mmmhm ist der Krautkopf aber gut, mmhm. Das war ein gutes Beispiel, Gretilein. Es folgt das nächste.
Gretel: Brrrr. Ich kann verzichten. Lies mal deine Schulaufgaben vor, Pezi!
Pezi: Ja, Gretel, ganz allein gemacht. Pezi ganz allein gemacht! Also: der gute Herr König ist gut. Der gute Herr König ist weise und gütig. Der gute Herr König ist milde und gerecht. Der gute Herr König sieht alles und hört alles. Der gute Herr König freut sich über artige Kinder. Wollt ihr dem guten Herrn König und seiner Tochter, dem Fräulein Prinzessin immer Freude bereiten? Ja, das wollen wir Kinder alle sehr.
Kasperl: Knackwursti! Pezi, das hast du aber fein gemacht! Da kriegst du auch ein Busserl dafür!
Pezi: Wir fahren fort: Wir wollen unsrem guten Herrn König immer gehorsam sein. Wir wollen nicht zuviel essen und nicht zuviel trinken und nicht zuviel naschen und nicht zu laut spielen und überhaupt nicht zuviel Lärm machen und wir wollen brav sein, damit wir brave Kinder sind. Wer einen Tag auf sein Mittagessen verzichtet, der macht unsrem König eine ganz besondre Freude. Werdet ihr auch immer daran denken, liebe Kinder?
Gretel: Ich glaub, ich hör wohl nicht recht. Und du glaubst das auch, diesen ganzen Stuß, den euch euer Lehrer da eingebläut hat?
aus: Elfriede Jelinek: Kasperl und die dicke Prinzessin oder Kasperl und die dünnen Bauern . Hörspieltyposkript, SDR 1974.