Skizze in rot (1964)

Abdrucke

auch in:

 

Vom literarischen Symbolismus und Expressionismus beeinflusster Text, in dem es um die

Pro­sti­tu­ti­on

eines Mädchens geht. Die junge

Frau

begegnet ihrem dicken Freier in einem Café, am Ende wird das Mädchen zur Himbeere, die vernascht werden kann und die der Mann in seiner Sakkotasche verschwinden lässt. Sexuelle (

Se­xua­li­tät

)

Ge­walt

wird durch die immer wiederkehrende Farbe Rot angedeutet. Skizze in rot ähnelt einigen Texten in Jelineks hörroman

bu­ko­lit (1968, pu­bli­ziert 1979)

. Der Text ist in zwei Publikationen Jelineks abgedruckt, die sonst primär Gedichte enthalten (

o.T. lin­ol­schnit­te: -ION

,

o. T. lin­ol­schnit­te: Ernst Kröt­lin­ger

).

 

Ja..., sagte sie und spuckte, als ob sie das naßrote Kitzeln in ihrem Nacken plötzlich ermuntert hätte, gegen die Glasscheibe des Cafés. Die Luftbläschen auf ihrem kurzen Weg zerplatzten mit leisem, gedämpften Knallen... Gut..., sagte der Dicke, gut, daß es hier schon lang keine Kellnerin mehr gibt, die würde ihnen schon was erzählen..., die Scheiben dreckig machen...!

...Geben sie mir doch bitte noch etwas Rot von dem Strick, den sie da am Hals tragen..., sagte das Mädchen kichernd, (es hatte die Scheibe und ihr Denkmal da- rauf nicht aus den Augen gelassen)... Sieht aus wie Blut..., sagte der Dicke bewun- dernd..., als ob sich einer umgebracht hätte..., und er legte dem Mädchen seine wei- che, feuchtschlaffe Hand um die Schulter und drückte sie leicht.

Das ist warm..., sagte das Mädchen.

Sie glich nun einer Himbeere und fühlte alles rundherum in einem purpurnen Karussell sich drehn. Es machte ein leises, schmatzendes Geräusch, als der Dicke das Mädchen, diese überreife Himbeere, von seinem Schoß pflückte und in die Tasche seines weichen, ausgebeulten Sakkos steckte und die Patte vorsichtig schloß. Doch so, daß noch Luft hineinkonnte.

Und eine Himbeere war es auch, an die er denken mußte, als er noch zu dem roten Fleck auf der Fensterscheibe des Cafés sagte: „...Hoffentlich ist sie nicht wurmig oder färbt ab aufs Futter...“

Dann näherte er sich mit riesigen, gespreizten Schritten wie ein grotesker Laufvogel, dem man sein Gewicht nicht anmerkt, der Herrentoilette.

aus: Elfriede Jelinek: Skizze in rot (1964). In: Jelinek, Elfriede: o. T. linolschnitte: -ION. Wien: edition avantypidy 1967 (= &cetera 7) [ S. 7]. (Schluss)

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