bukolit

hörroman

Cover des Erstdrucks, 1979

Abdrucke

Taschenbuchausgabe:

Teilabdrucke:

 

bukolit war Jelineks erste größere Prosaarbeit und wurde von ihr 1968 fertig gestellt. Der Rowohlt Verlag zog aber als Jelineks Debütroman

wir sind lock­vö­gel ba­by!

vor, nachdem ein Gutachter die Vorliebe von bukolit für „vegetative Monstrositäten, Kannibalen und Mitesser“ kritisiert und den Roman als Ausdruck eines „Weiber-Masochismus“ klassifiziert hatte. So wurde bukolit erst 1979 im Rhombus Verlag publiziert. Teilabdrucke erschienen 1967 (

o.T. lin­ol­schnit­te: -ION

,

o. T. lin­ol­schnit­te: Ernst Kröt­lin­ger

) und

1969

.

Der Großteil des Textes ist in Kleinschreibung ohne Kommasetzung verfasst, ein zum Herausschneiden vorgesehener Text ist in Großbuchstaben gesetzt, „ß“ wird öfters durch „sz“ ersetzt. Es gibt Wortneubildungen, und es wird auch optisch mit Wörtern gearbeitet. Dem Text ist das Datum „September 1968“ nachgestellt. Der Titel bukolit assoziiert den Begriff „bukolisch“ und den Kunststoff Bakelit, der Untertitel hörroman verweist auf die klangliche Dimension des Textes.

Der Text ist in 25 Abschnitte gegliedert, die folgendermaßen betitelt sind (hier durch Strichpunkte voneinander getrennt):

hörprosa um bukolit I; störung; hörprosa um bukolit II; hörprosa um bukolit III; das haupt ab; bukolit IV; muttertagsfeier; fortsetzung der muttertagsfeier; weitere fortsetzung der muttertagsfeier; hörprosa um bukolit V; fahrt ins grauen – zitat; fahrt ins grauen fortsetzung; bukolit VI; liste:; liste:; liste:; hörprosa um bukolit VII; mittlere störung (ohne schwierigkeit zu beseitigen mit einem radiergummi etc.); hörprosa um bukolit VIII; emma bukolita; noch eine störung; noch noch eine störung; hörprosa um bukolit IX; längere störung mit einem untier; bukolit X.

Die Hauptthemen des Romans sind die Verbindung von

Ge­walt

und

Se­xua­li­tät

in einer patriarchal (

Pa­tri­ar­chat

) geprägten

Ge­sell­schaft

, er setzt sich kritisch mit den

Me­di­en

und der

Pop-Kul­tur

auseinander. Der Roman weist stilistische und thematische Bezüge zu Jelineks Kurzprosatext

Skiz­ze in rot

(1967) auf.

 

 

als bukolit sein werk betrachtete die spuckende und dröhnende lakkierte emma bestieg er sie flugs rittlings saß er auf ihr die nunmehr einer fähigen kraftmaschine glich einem motorrad preßte ihr die starken runden knie bespannt nun mit weiten breeches die gerte im koppel in die weichen trat hebel kurbelte weißsprangen die knöchel der finger hervor als er den motor endgültig anliesz kuppelte gasgab die glühbirnen veranstalteten dabei ein feuerwerk glänzende funken räder stiegen in die eisluft und zerplatzten als pfauenrad als rote nelke und der siegreiche held seine bäumende beute zwischen den beinen zog seine smith & wesson und zerballerte blindlings bukolitas weiches lager bis der pelz blutgetränkt und naß im schnee vollends verschwand dann zog er ein paar wollsocken über die ausgeworfenen bleihülsen bedeckten als lava teppich das jungscharheim es wurde blitzartig wärmer sodasz die führerinnen der marianischen kongregation sich in einteiligen badeanzügen als zwischeneinlage den fotografen stellen konnten.

buko jedoch war schon weit unter ihm sauste emma flammenstoßend und wie wild lärmend durch die eisrinnen des weges er hatte einen blut rünstigen schimmer im vormals so sanften auge geduckt den helm über die ohren saß er hinter emmas kopf der ihm als lenker und windschutzscheibe gleichzeitig diente und im nebel tauchte vor ihm wie ein schemen die junge kommissarin auf ihre skier schabten über den firn schneidig die stockspitzen zeichneten glühende striche sie risz einen makellosen christiana schwung und zog den revolver ihn kaltblütig auf bukolits hose richtend der alle mühe hatte emma die entfesselte zum stehen zu bringen er klopfte ihr die kruppe liebevoll beruhigend hob kurz das rechte bein um zu lüften die sowjetrussin wiegte sich tranceartig in den hüften leicht glitt die lederhose von ihr ab auch das jäckchen der revolver blieb unverwandt auf bukos hosi gerichtet der ihr hart und befehlend ins auge blickte die mündung bewegte sich nicht einen millimeter worauf emma mit dem steiß wackelte jedoch sofort stilleschwieg als er ihr kräftig daraufplatschte und der held setzte zur nächsten arie an in jedes feld seines kostüms hatte sich ein adler verbissen der mit den schwingen rauschte aus dessen augen jedoch eine glitzernde träne fiel als sich die nackten feindlichen eskimomänner heulend und barfuß auf der loipe näherten ludmillascha mütterchen schreiend ihr geifernder atem beizte bukos nase empfindlich.

aus: Elfriede Jelinek: bukolit . Wien: Rhombus 1979, S. 49-50.