Über das Sprechen im Film

Abdrucke

Je­li­nek, El­frie­de

:

Über das Sprechen im Film. In: Falter 39/

1987

.

 

Über die Zusammenarbeit mit dem Regisseur

Hans Scheu­gl

beim Film

Was die Nacht spricht

(1987). Sie habe für Scheugls Film, dessen Konzept von

Dju­na Bar­nes

Roman Nightwood ausging, die Dialoge für einen der drei Handlungsstränge geschrieben. In diesem Teil ging es um die Beziehung zweier Frauen (

Frau

), eine von ihnen wurde im Film von Jelinek dargestellt.

Scheu­gl

habe in ihre Dialoge eingegriffen, da sie ihm zu lang und zu abstrakt gewesen wären.

Reaktionen

Reaktion:

 

Hans Scheugl, den ich vorher nicht gekannt habe, ist eines Tages zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich an einem Drehbuch für einen kurzen Spielfilm mitarbeiten wolle.

Da ich eine sentimentale Zuneigung habe zu allem, was mit Film auch nur im entferntesten zu tun hat, sowohl was die Arbeit am Drehbuch als auch die Dreharbeiten selbst betrifft, und da es mir in Österreich nicht möglich zu sein scheint, meine eigenen Filmprojekte zu realisieren (finanzieren), hat es mich gereizt, mit Scheugl über sein Vorhaben zu reden. [...] Wir haben uns dann getroffen, und er hat mir seine Absichten erläutert. Es war keineswegs meine Aufgabe, das ganze Buch, von dem das Konzept und ein Großteil der Dialoge (von Scheugl selbst geschrieben) bereits feststanden, zu schreiben. Da ich Verantwortung scheue wie die Pest, hat mir das sehr gefallen. [...]

Außerdem ging Scheugl bei seinem Konzept von einem meiner Lieblingsbücher aus: „Nightwood“ („Nachtgewächs“) von Djuna Barnes. „Was die Nacht spricht“ sollte der Film heißen. Es sollte drei Handlungsstränge geben, die alle in die Nacht hinein sprechen. Eine Runde Trinker in einem Vorstadtgasthaus (von Scheugl allein entworfen und mit passendem Text versehen), Patienten des psychiatrischen Krankenhauses Baumgartner Höhe, die, wie sich später zeigen sollte, uns alle mühelos an die Wand gespielt haben (nachdem sie vom Leben selbst an die Wand gestellt worden waren), was wir freilich schon vorher gewußt hatten, denn was kann irrer sein als ein Irrer, der echt irre ist, und schließlich jener Handlungsstrang, an dem ich mich aufhängen sollte: Eine Beziehung zwischen zwei Frauen, die aber, laut Scheugl, nicht unbedingt ein Liebespaar darzustellen hatten (was sie aber, Djuna Barnes zu Ehren, bei mir natürlich sein mußten).

Die Leinwand sollte dreigeteilt sein: Links bzw. rechts außen je eine der Frauen, in der Mitte das Leben selbst.

Ich habe sofort mit den Dialogen begonnen. Was mir gefallen hat: Die Stilisierung, die Künstlichkeit des Konzepts der dreigeteilten Leinwand, die jeder nur kulinarischen Rezeption ein entschiedenes Hindernis in den Weg stellen mußte, – das Auge wandert, pendelt ständig zwischen der einen und der anderen Frau, während es die Wirklichkeit in der Mitte konsequent übersieht – konnte mit einer radikalen Künstlichkeit der Sprache korrespondieren. Die Gesetze des Dialogs als Kommunikation zwischen zwei Personen wären aufgehoben zugunsten der Sprache selbst, die mit dem Bild sprechen gehen soll. So hab ich mir das vorgestellt.

aus: Elfriede Jelinek: Über das Sprechen im Film . In: Falter 39/1987.

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Essayistische Texte, Reden und Statements