Ohne schreckliche Bilder wirds nicht gehn, so höre ich. Und der junge Mann, unser Bundeskanzler, ist undurchschaubar,
auch wenn er selbst und alles andere vollkommen transparent erscheinen. Alles, was er sagt oder tut, ist sehr einfach.
Darunter, wenn wir die weichen Vorhänge seiner Sprachübungen heben, ist etwas anderes, das ich noch nicht kenne,
wir erwarten alle seine Ankunft, die einen ungeduldig, die anderen angstvoll, wir erwarten also — das Jesuskind ist ja schon da —,
die Ankunft des Alten, Gewesenen, das wir die ganze Zeit nicht wiedererkannt haben, bis es uns ins Gesicht gesprungen ist.
Ich sage nicht, was kommt, weil ich mich fürchte und es vielleicht schon da ist, wovor ich mich so gefürchtet habe.
aus: Elfriede Jelinek: Worte schweigen, flüstern Geigen .
2019. In: Theater der Zeit 4/2019, S. 29.
Verfasst für das AutorInnenkollektiv Nazis & Goldmund; in Hinblick auf die aktuelle politische Lage (
Politik
) Österreichs (
Österreich
) über ihre Furcht vor der sich wiederholenden Vergangenheit, die zunehmende Verbreitung rechter (
Rechtsradikalismus
), fremdenfeindlicher Ideologien (
Fremdenfeindlichkeit
). Thematisierung der Affäre rund um die Hausdurchsuchung des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Zweifel an der Wirkung des literarischen Protests.
Der Text wurde bei der Veranstaltung Interspeeches 1 – Nation & Narration am 26.1.2019 im Wiener studio
brut
von
Gerhild Steinbuch
und
Jörg Albrecht
verlesen. Die Veranstaltung war Teil der von Nazis & Goldmund kuratierten Reihe Die Zukunft des Widerstands 1 .