Perfid verhöhnt

Abdrucke

auch in:

 

Rede beim Umzug der Maroden (

De­mons­tra­ti­on

) am 1.7.1998, mit dem Österreichs Kunstschaffende (

Künst­ler

,

Künst­le­rin

) auf ihre schlechten Lebens- und Arbeitsverhältnisse aufmerksam machten und gegen die Schaffung eines Kunststaatssekretariats (

Kul­tur­po­li­tik

) protestierten.

 

Wir arbeiten an größeren Werken fast immer jahrelang. Das Werk braucht also lang, die Steuer kommt aber pünktlich jedes Jahr, und sie behandelt die Einkünfte der Arbeit von drei Jahren, als hätten wir sie in einem Jahr erwirtschaftet. So wird zwar jeder Freiberufler behandelt, doch die eigentliche Ungerechtigkeit gegenüber uns Schriftstellern besteht darin, daß wir kaum die Möglichkeit haben, Verluste vorzutragen, um sie dann mit unseren Gewinnen gegenzurechnen, wie es jedem Unternehmer möglich ist.

Durch welche Investitionen könnten wir denn unsere Produktivität erhöhen? Zwei Tonnen Hirnschmalz? Oder: Wie soll bei einem Schriftsteller z.B. die Grenze zwischen Berufsausübung und Privatleben gezogen werden? Auf der Bank, wo er den schönen Sonnenuntergang bewundert? Und wie geht’s weiter, wenn er seinen Gedichtband, seinen Roman darüber vollendet hat?

aus: Elfriede Jelinek: Perfid verhöhnt . In: Autorensolidarität 3/1998, S. 5-6, S. 5.

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Essayistische Texte, Reden und Statements
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