Ich habe schon oft gesagt, daß ich kein Theater von ihnen will.
Wenn sie nämlich theaterspielen, dann gefährden sie sich, wie es bei
Selbstbegegnungen, im Traum, vor dem Spiegel, in den Augen eines Liebenden
geschieht, dann gefährden sie sich in dem Verhältnis zueinander und dem
Verhältnis zu dem, was sie sprechen, also denken, also sein sollen.
Sie dürfen aber auch nicht sie selber sein wollen. Das Allerschlimmste ist,
wenn sie, was sie da werden sollen, mit dem in Übereinstimmung zu bringen suchen,
was sie bereits sind. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, daß sie,
wie fleischfarbene Schinken, die nicht nur nach Fleisch aussehen, sondern Fleisch auch sind,
aufgehängt in der Räucherkammer, im Schacht einer anderen Dimension, die nicht Wirklichkeit,
aber auch nicht Theater ist, uns etwas bestellen sollen, eine Nachricht die Anfänger,
eine Botschaft die Fortgeschrittenen. Und dann merken sie, daß sie selber ihre eigene
Botschaft sind. Schon haben sie etwas falsch gemacht und müssen noch einmal würfeln,
um sich nicht in der Ferne verlieren zu müssen. Wer könnte es besser? Jeder ist er selber.
Sie sind was sie sind. Wie Gott, der ist, der er ist. Das ist doch eine schöne und große Aufgabe,
oder? Die Schauspieler SIND das Sprechen, sie sprechen nicht.
aus: Elfriede Jelinek: Sinn egal. Körper zwecklos. In: Theaterschrift 11 (1997), S. 22-33, S. 24.
Verfasst für das theatercombinat und dessen Aktion
Jelinek „Sinn egal. Körper zwecklos. 5-7“
(1997). Über ihre Erwartung an die SchauspielerInnen und ihr Sprechen auf der Bühne (
Theaterästhetik
). Sie werfe die SchauspielerInnen in den Raum und schiebe ihnen ein „fremdes Sagen“ unter. Der Schauspieler sei ein Filter, durch den der Sinn hindurchlaufe wie Sand.