Es gibt sehr viel, es ist sehr viel vorhanden, aber nur wenige maßgebliche Meßbecher für Reichtum, der da ist,
aber gleichzeitig fort, denn man sieht ihn nur selten. Aus dem Meßbecher wird die Unterscheidung geschöpft zwischen
der nachgemachten Vuitton-Tasche, dem nachgeschneiderten Jil Sander-Jäckchen (und das Nachgemachte ist meist nicht simpler,
schlichter als das Original, sondern im Gegenteil, es wird noch zusätzlich geschmückt, um der Armen, die sich das Echte nicht
leisten kann, noch mehr aufzubürden, was dann aber auch bitte wenigstens nach Mehr ausschauen soll!), oder den Billigpumps,
deren Sohlen man mit im Baumarkt gekaufter roter Farbe (das Zeichen Rot muß inzwischen für alles herhalten, weil es für nichts mehr steht,
sondern weil man drauf steht) zu garantiert falschen Louboutin-Schuhen veredelt, und Veredelung ist das natürlich keine,
sie ist nur eine für die Augen, die den Code nicht kennen, den Schlüssel nicht haben, mit dem man reinkommt.
aus: Elfriede Jelinek: Unglaublich, aber unwahr .
http://www.elfriedejelinek.com/funglaublich.html (24.10.2019), datiert mit 20.11.2013 (= Elfriede Jelineks Website, Rubrik: Aktuelles 2013).
Text für die 3. Reichtumskonferenz am 27.11.2013 in Wien; über den Reichtum (
Kapitalismus
) und die Macht der Herrschenden, ihre Maßlosigkeit sowie über jene, die die Herrschenden imitieren und gefälschte Nachahmungen teurer Luxusprodukte kaufen, um den Eindruck zu erwecken, sie würden dazugehören; der Text, gelesen von
Cornelius Obonja
und
Katharina Stemberger
, wurde bei der Konferenz in Form eines Kurzfilms präsentiert.