Rein Gold

Ein Bühnenessay

Uraufführung an der Staatsoper im Schiller Theater, Berlin, 2014. Foto: Arno Declair

Abdrucke

Erstdruck (= Buchausgabe):

Teilabdrucke:

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Rein Gold. Ein Bühnenessay.

    Teilabdruck

    In: Max Joseph. Magazin der Bayerischen Staatsoper 4/

    2012

    , S. 20-27

    .

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Rein Gold.

    Teilabdruck

    In: Die Presse (Spectrum),

    23.2.2013

    .

  • Rein Gold. Ein Bühnenessay.

    Teilabdruck

    In: Programmheft der Staatsoper im Schiller Theater zu Elfriede Jelineks Rein Gold

    2014

    .

 

Jelinek verfasste Rein Gold auf Anregung

Ni­ko­laus Bach­lers

, des Intendanten der

Baye­ri­schen Staats­oper

München, für die

Münch­ner Opern­fest­spie­le

2012, deren Motto Rund um den Ring lautete.

Während der Titel, Rein Gold , auf Rheingold , den ersten Teil von

Ri­chard Wag­ners

Tetralogie Der Ring des Nibelungen referiert, nimmt der Text die Szene zwischen Brünnhilde und Wotan im 3. Akt von Die Walküre zum Ausgangspunkt. Rein Gold ist als Wechselrede zwischen Brünnhilde und Wotan konzipiert, wobei die einzelnen Redeparts im Text mit B und W überschrieben sind.

Rein Gold knüpft an marxistische Interpretationen von

Wag­ners

Ring des Nibelungen an. Die Kritik am

Ka­pi­ta­lis­mus

und die Reflexionen über die Klasse der

Ar­bei­ter

werden mit den postkapitalistischen Bedingungen der Finanz- und

Wirt­schafts­kri­se

des 21. Jahrhunderts in Bezug gesetzt. Thematisiert werden u.a. die finanzdirigierende Stellung Deutschlands (

Deutsch­land

) in Europa (

Eu­ro­päi­sche Uni­on

,

Po­li­tik

), der Kreditskandal des deutschen Ex-Bundespräsidenten

Chris­ti­an Wulff

und die rechtsextremen Morde (

Rechts­ra­di­ka­lis­mus

) der Zwickauer Terrorzelle (NSU) (

Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Un­ter­grund

,

Ter­ro­ris­mus

). Als weiterer Intertext fungiert das rechtsextremistische Bekennervideo, das mit der Comic-Figur des Paulchen Panthers die Opfer der verübten zehn Morde verhöhnt.

Über ihre Quellen hat Jelinek dem Text Folgendes nachgestellt:

Ri­chard Wag­ner

: Der Ring des Nibelungen , Libretto

Ri­chard Wag­ner

: Der Ring des Nibelungen (Prosaentwurf)

Wolf­gang Schild

:

Staatsdämmerung.

Zu Ri­chard Wag­ners

„Der Ring des Nibelungen“

Karl Marx

: Das Kapital

Karl Marx

und

Fried­rich En­gels

: Das Kommunistische Manifest

Etwas

Sig­mund Freud

, weiß aber nicht mehr, was.

Fe­lix Do­ele­ke

: Analyse einer Getränkedose zur Abschätzung des Energiebedarfs bei ihrer Herstellung (Facharbeit)

Herr­mann Jel­li­nek

: Kritische Geschichte der Wiener Revolution, vom 13. März bis zum konstituierenden Reichstag (Wien, 1848)

Sonst nichts. Ein paar Zeitungen. Alles nichts.“

Bei der performativen Urlesung am Münchner

Prinz­re­gen­ten­thea­ter

(2012) unter der Leitung von

Ni­co­las Ste­mann

wurde der Bühnenessay ungestrichen präsentiert, wobei auch Musik

Ri­chard Wag­ners

zum Einsatz kam. Bei der Uraufführung an der

Ber­li­ner Staats­oper im Schil­ler Thea­ter

(2014) kombinierte

Ste­mann

SchauspielerInnen und SängerInnen, auch die Staatskapelle Berlin wirkte an der Produktion mit z.T. bearbeiteter

Wag­ner

-Musik mit.

 

Thomas Kürstner und Sebastian Vogel (Musiker):Welches Verhältnis haben Sie zu Wagners Musik?

Elfriede Jelinek: Ein leidenschaftliches. Ich höre einmal bewußt nicht analytisch (was man unwillkürlich ja tut, wenn man selber lange Musik gemacht hat), sondern ich schmeiße mich hinein wie ein Schwein in die Suhle. Lustvoll.

David Robert Coleman (Korrepetitor und Arrangeur):Was denken Sie über Wagners Kunst der Orchesterfarben: „Magie“, „Demagogie“, „kapitalistische Mittel der Verschleierung der Produktion“?

Elfriede Jelinek: Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz. Das hätte ich gerne näher erklärt. Ich sehe nicht, wie politische Kategorien sich in Klangfarben niederschlagen können. Aber das ist sicher möglich. Ich meine, nach diesem Gesichtspunkt habe ich, weil ich diese Musik eben fast nur emotional höre, sie noch nicht dahingehend hinterfragt. Wenn sich kapitalistische Ideologie in den Klangfarben niederschlägt, dann könnte man ja sagen, Wagners Musik wäre eine Musik der Lüge. Und wahrscheinlich stimmt das sogar.

Amelie Sturm (Kinderstatist, 9 Jahre):Warum sind die vielen verschiedenen Zwerge sich alle spinnefeind?

Elfriede Jelinek: Na ja, ich glaube, auch bei Zwergen geht es letztlich um das, was die Großen gegeneinanderhetzt: Geilheit, Gier (auch Machtgier), Neid, Eifersucht und so weiter. Bei den Zwergen vielleicht verschärft, weil sie so klein sind und ihnen die Großen sowieso immer alles wegnehmen. Im Ring des Nibelungen überlebt aber als einziger Alberich, ein Zwerg. Und er darf seinen Schatz auch wieder in Besitz nehmen. Verachtet mir die Kleinen nicht! Die holen sich schon, was sie brauchen.

aus: Benjamin von Blomberg u.a.: Ein nicht ganz gewöhnliches Interview mit Elfriede Jelinek . In: Programmheft der Staatsoper im Schiller Theater zu Elfriede Jelineks

Rein Gold

, 2014.