Thomas Kürstner und Sebastian Vogel (Musiker):Welches Verhältnis haben Sie zu
Wagners Musik?
Elfriede Jelinek: Ein leidenschaftliches. Ich höre einmal bewußt nicht analytisch
(was man unwillkürlich ja tut, wenn man selber lange Musik gemacht hat), sondern
ich schmeiße mich hinein wie ein Schwein in die Suhle. Lustvoll.
David Robert Coleman (Korrepetitor und Arrangeur):Was denken Sie über Wagners
Kunst der Orchesterfarben: „Magie“, „Demagogie“, „kapitalistische Mittel der
Verschleierung der Produktion“?
Elfriede Jelinek: Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz. Das hätte ich gerne näher
erklärt. Ich sehe nicht, wie politische Kategorien sich in Klangfarben niederschlagen
können. Aber das ist sicher möglich. Ich meine, nach diesem Gesichtspunkt habe
ich, weil ich diese Musik eben fast nur emotional höre, sie noch nicht dahingehend
hinterfragt. Wenn sich kapitalistische Ideologie in den Klangfarben niederschlägt,
dann könnte man ja sagen, Wagners Musik wäre eine Musik der Lüge. Und
wahrscheinlich stimmt das sogar.
Amelie Sturm (Kinderstatist, 9 Jahre):Warum sind die vielen verschiedenen Zwerge
sich alle spinnefeind?
Elfriede Jelinek: Na ja, ich glaube, auch bei Zwergen geht es letztlich um das, was
die Großen gegeneinanderhetzt: Geilheit, Gier (auch Machtgier), Neid, Eifersucht
und so weiter. Bei den Zwergen vielleicht verschärft, weil sie so klein sind und
ihnen die Großen sowieso immer alles wegnehmen. Im Ring des Nibelungen
überlebt aber als einziger Alberich, ein Zwerg. Und er darf seinen Schatz auch wieder
in Besitz nehmen. Verachtet mir die Kleinen nicht! Die holen sich schon, was sie
brauchen.
Jelinek verfasste Rein Gold auf Anregung
Nikolaus Bachlers
, des Intendanten der
Bayerischen Staatsoper
München, für die
Münchner Opernfestspiele
2012, deren Motto Rund um den Ring lautete.
Während der Titel, Rein Gold , auf Rheingold , den ersten Teil von
Richard Wagners
Tetralogie Der Ring des Nibelungen referiert, nimmt der Text die Szene zwischen Brünnhilde und Wotan im 3. Akt von Die Walküre zum Ausgangspunkt. Rein Gold ist als Wechselrede zwischen Brünnhilde und Wotan konzipiert, wobei die einzelnen Redeparts im Text mit B und W überschrieben sind.
Rein Gold knüpft an marxistische Interpretationen von
Wagners
Ring des Nibelungen an. Die Kritik am
Kapitalismus
und die Reflexionen über die Klasse der
Arbeiter
werden mit den postkapitalistischen Bedingungen der Finanz- und
Wirtschaftskrise
des 21. Jahrhunderts in Bezug gesetzt. Thematisiert werden u.a. die finanzdirigierende Stellung Deutschlands (
Deutschland
) in Europa (
Europäische Union
,
Politik
), der Kreditskandal des deutschen Ex-Bundespräsidenten
Christian Wulff
und die rechtsextremen Morde (
Rechtsradikalismus
) der Zwickauer Terrorzelle (NSU) (
Nationalsozialistischer Untergrund
,
Terrorismus
). Als weiterer Intertext fungiert das rechtsextremistische Bekennervideo, das mit der Comic-Figur des Paulchen Panthers die Opfer der verübten zehn Morde verhöhnt.
„
Richard Wagner
: Der Ring des Nibelungen , Libretto
Richard Wagner
: Der Ring des Nibelungen (Prosaentwurf)
Wolfgang Schild
:
Staatsdämmerung.
Zu Richard Wagners
„Der Ring des Nibelungen“
Karl Marx
: Das Kapital
Karl Marx
und
Friedrich Engels
: Das Kommunistische Manifest
Etwas
Sigmund Freud
, weiß aber nicht mehr, was.
Felix Doeleke
: Analyse einer Getränkedose zur Abschätzung des Energiebedarfs bei ihrer Herstellung (Facharbeit)
Herrmann Jellinek
: Kritische Geschichte der Wiener Revolution, vom 13. März bis zum konstituierenden Reichstag (Wien, 1848)
Bei der performativen Urlesung am Münchner
Prinzregententheater
(2012) unter der Leitung von
Nicolas Stemann
wurde der Bühnenessay ungestrichen präsentiert, wobei auch Musik
Richard Wagners
zum Einsatz kam. Bei der Uraufführung an der
Berliner Staatsoper im Schiller Theater
(2014) kombinierte
Stemann
SchauspielerInnen und SängerInnen, auch die Staatskapelle Berlin wirkte an der Produktion mit z.T. bearbeiteter
Wagner
-Musik mit.