Das Lebewohl
(Les Adieux)
Uraufführung am Ballhausplatz Wien, 2000
Uraufführung am Ballhausplatz Wien, 2000
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl. In: Theater heute 5/
2000
, S. 36-41
.
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl. In:
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl. 3 kl. Dramen.
Berlin
:
Berlin Verlag
2000
, S. 7-35
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl. In: Programmheft des Berliner Ensembles zu Elfriede Jelineks Das Lebewohl (Les Adieux)
2000
.
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl. http://www.elfriedejelinek.com/fadieux.html (15.7.2014)
2000
(= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Archiv 2000, Theatertexte).
Auf der Website wird ein Videoausschnitt der UA am Wiener Ballhausplatz zur Verfügung gestellt.
Jelinek, Elfriede
:
Haidermonolog.
Teilabdruck
In: Das Argument 236 (
2000
), S. 321-322
.
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl (Les Adieux).
Teilabdruck
In: Der Standard (Album),
20.5.2000
.
Jelinek, Elfriede
:
Haider im Jelinek-Stück: „Ich komme wieder“.
Teilabdruck
In: Format,
22.5.2000
.
Jelinek, Elfriede
:
Jörg Haiders Monolog zum langen Abschied.
Teilabdruck
In: News,
23.11.2000
.
Jelinek, Elfriede
:
Das Kommen.
Teilabdruck
http://www.elfriedejelinek.com/fdaskommen.html (27.4.2016)
26.4.2016
(= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Aktuelles 2016).
UA | 22.6.2000
Ballhausplatz Wien
Martin Wuttke
9.12.2000
, I:
Ulrike Ottinger
12.5.2001
, I:
Werner Waas
, Ü:
Werner Waas
,
Fabrizio Parenti
2001/2002
szenische Lesungen in Kärnten mit
Karsten Rühl
Erstsendung des Radiomitschnitts der ersten Lesung Karsten Rühls an der Universität Klagenfurt:
25.10.2002
, I:
Melanie Mederlind
, Ü:
Magnus Lindman
24.4.2003
, I:
Esgo Heil
, Ü:
Kristian Kanstadt
24.7.2005
, I:
Werner Waas
, Ü:
Werner Waas
,
Fabrizio Parenti
Dezember 2007
, I:
Ivica Buljan
, Ü:
Uršula Cetinski
22.8.2015
Théâtre de Poche
, Hédé-Bazouges
, I:
Vincent Collet
, Ü:
Yasmin Hoffmann
,
Maryvonne Litaize
10.1.2017
, I:
Veronika Maurer
Für die regierungskritische
Kulturkarawane
durch Kärnten und die Steiermark (7.-15.10.2000) nahm Jelinek ein Video auf, für das sie einen Ausschnitt aus Das Lebewohl las und das im Rahmen der Kulturkarawane gezeigt wurde.
Elfriede Jelinek: Das Kommen.
Jelinek, Elfriede
:
Das Lebewohl (Les Adieux). CD.
Wien
:
Botschaft besorgter BürgerInnen
2001
.
Live-Mitschnitt der
Uraufführung am Wiener Ballhausplatz
. Die CD war eine Benefizaktion für die Botschaft besorgter BürgerInnen.
Jelinek, Elfriede
:
das lebewohl. es liest karsten rühl. CD.
Klagenfurt
:
radio AGORA eigenverlag
2003
.
Jelineks Essay
Gelesenes „Lebewohl“ (2000)
Jelineks
Essay im booklet zur CD Jelinek, Elfriede: Das Lebewohl (2001)
Jelineks Essay
Von Ewigkeit zu Ewigkeit (2008)
Pia Janke:„Das Lebewohl“ ist ein Theatertext zur aktuellen politischen Lage Österreichs. War es Ihre Intention, literarisch möglichst rasch auf die politischen Entwicklungen zu reagieren, und läuft man mit so einem schnellen Text nicht Gefahr, das Ästhetische zugunsten einer vereinfachenden politischen Stellungnahme zu vernachlässigen? Elfriede Jelinek: Ich schreibe alle meine Texte immer sehr schnell. Es ist eine Methode, mit raschen Strichen etwas von außen zu umkreisen und einzufangen. Dieser spezielle Text ist keine politische Stellungnahme, sondern, wie immer bei mir, weil ich unfähig bin, etwas sozusagen „auf den Punkt zu bringen“, wie es z.B. Antonio Fian mit seinen Dramoletten tut, eine Zustandsschilderung. Wir können da natürlich keine Realismusdebatte führen, aber ich bemühe mich schon, für bestimmte Inhalte auch spezifische ästhetische Methoden zu finden, die aber immer von der Sprache selbst ausgehen. Etwas „beim Genick“ zu fassen, also gedanklich zuzuspitzen, das kann ich nicht. Ich muss es aus der Sprache selber entstehen lassen, und mit diesen Aufzeichnungen Haiders hat sich mir die Sprache ja wirklich in die Hand gegeben, ein Geschenk des Himmels, so etwas bekommt man nicht oft. [...]
Es scheint, als würde es in Ihrem neuen Theatertext, im Gegensatz zu anderen, eine wirkliche, greifbare Figur geben. Lässt sich dieses „Ich“ als Jörg Haider definieren? Notgedrungen kann man dieses Ich als Haider definieren, er hat ja die eine Sprachebene vorgegeben, er läuft sozusagen als Orgelpunkt immer mit, egal, was gesagt wird. Vielleicht ist das ja ein echter Bühnenmonolog, im Gegensatz zu meinen andren Monologen, die meist viel künstlicher sind, abstrakter, und bei denen das Denken führt, oft in Form von Montagefetzen – ich literarisiere sozusagen Theorie – aber nicht das wirkliche Nachdenken über etwas. Der Text markiert eine Zeitenwende.
Sehen Sie die Situation in Österreich heute als Anbruch einer neuen Zeit? Es handelt sich bei all dem, was jetzt passiert, doch nicht um völlig neue Entwicklungen. Ja, Zeitenwende... es ist vielleicht ein hochtrabender Ausdruck, zu pathetisch, aber es ist etwas geschehen, das niemand von uns für möglich gehalten hätte. Dass gerade in einem der Täterländer die extreme Rechte wieder an die Macht kommt. Es ist zumindest mir unvorstellbar erschienen, dass das möglich sein könnte. Aber gerade indem man es mit der Zeitenwende, die Aischylos’ Atridendrama markiert, zusammenbringt, entfaltet es seine ganze Lächerlichkeit und Banalität und dadurch vielleicht noch mehr Schrecken, als wenn man es in der Banalität beließe. Es ist, frei nach Marx, Tragödie und Farce in einem. Man greift zu kurz, wenn man es nur eine Farce nennt, weil es natürlich auf den ersten Blick danach aussieht, aber es ist eben auch eine Tragödie.
Einige schöne Knaben, die Gesichter zu einem ewigen Lächeln geschminkt, in kindlichen, pludernden Spielhöschen, umringen einen Mann,
der ebenfalls den Mund zu einem zeitlos-ewigen Lächeln gemalt hat und zu den Knaben spricht. Den Mund nicht grotesk-clownhaft, sondern wirklich schön,
aber etwas unheimlich, lächelnd, sie streuen dem Mann aus Körben Blumenblätter, die Knaben. Wenn es zu teuer ist, Knaben zu bekommen, kann man die
Blütenblätter auch vom Schnürboden herunterwerfen lassen. Nein, Mädchen kann man nicht dafür nehmen. Der jeweils angesprochene Knabe wendet sich dem
Sprecher des „Haidermonologs“ in schöner, nachdenklich-trauernder Pose zu, in der er eine Zeit lang erstarrt. Man kann es aber natürlich auch ganz anders machen.
Es können auch alle Lederhosen tragen, von mir aus. Außerdem könnte eine Pythia oder ein schlichter griechischer Mann im Chiton mit dem Textbuch dabei sein
und dem Schauspieler, der den Monolog spricht, auf die Sprünge helfen, den Text immer wieder mit ihm gemeinsam sprechen, wenn der Schauspieler stockt
oder nicht weiter weiß. Das wäre gar kein Hindernis.
Anlass für Das Lebewohl war
Jörg Haiders
(
Haider, Jörg
) Rücktritt als FPÖ-Obmann und sein Rückzug aus der österreichischen Bundespolitik (
Politik
) nach Kärnten nach Bildung der Regierungskoalition zwischen ÖVP und FPÖ (
Freiheitliche Partei Österreichs
) im Jahr 2000. In der Regiebemerkung zu Beginn wird der Text als „ Haidermonolog “ bezeichnet. Der Text weist keine Einteilung in Szenen, Absätze oder Angaben zu Zeit und Ort auf. Die einzige Personenangabe am Beginn des Textes ist „Der Sprecher“, dessen Rede sich an eine Gruppe stumm trauernder Knaben richtet. Mit dem Untertitel Les Adieux wird auf
Ludwig van Beethovens
Klaviersonate Nr. 26, op. 81a angespielt.
Im Text finden sich Bezugnahmen auf die damalige politische Situation in
Österreich
. Neben Angriffen auf politische GegnerInnen und die
Medien
des Landes geht der Sprecher auf die Gründe für seinen Rückzug ein, den Jelineks Text als taktisches Manöver kenntlich macht wie auch
Haiders
Rassismus
,
Fremdenfeindlichkeit
und die Ausgrenzungsmechanismen der FPÖ, von denen auch die Frauen (
Frau
) betroffen sind. Über ihre Quellen hat Jelinek dem Text Folgendes vorangestellt:
„Dank an ‚
news
‘,
Aischylos
(‚Die Orestie‘), übers.
Walter Jens
“
Jelinek benutzte für ihr Stück
Haiders
Text Glücksgefühl nach bangen Stunden , den er zu seinem Rückzug verfasst hatte und der u.a. in
News
veröffentlicht worden war. Die Textpassagen
Haiders
wurden mit bearbeiteten Zitaten aus der Orestie des
Aischylos
(
Antike
) verschränkt. Ein Motiv, mit dem u.a. die Figur des Orest und
Haider
aufeinander bezogen werden, ist die Rache für den
Vater
und damit für die Vätergeneration, die für den
Nationalsozialismus
verantwortlich waren.
Die Uraufführung auf dem Wiener Ballhausplatz am 22.6.2000 (also in der Zeit von Jelineks Aufführungsverbot für Staatstheater), veranstaltet von der Botschaft besorgter BürgerInnen, war der Auftakt der wöchentlichen Donnerstagsdemonstration (
Demonstration
), mit der gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung protestiert wurde. In mehreren fremdsprachigen Inszenierungen des Textes wurden Bezüge zu rechtspopulistischen PolitikerInnen in den jeweiligen Ländern (Italien, den Niederlanden und Schweden) wie z.B.
Silvio Berlusconi
,
Pim Fortuyn
und
Pia Kjærsgaard
hergestellt.
Anlässlich der Ergebnisse des ersten Durchgangs der Bundespräsidentenwahl am 24.4.2016, bei dem der FPÖ-Kandidat
Norbert Hofer
35% der Stimmen erzielte, verarbeitete Jelinek mehrere Textpassagen aus Das Lebewohl zu Das Kommen. Darin nimmt sie Bezug auf das Wahlergebnis,
Hofers
Wahlkampf, die notverstaatlichte Kärntner Hypo Alpe Adria Bank, den Umgang mit Flüchtlingen in Österreich und ihren Theatertext
Die Schutzbefohlenen
und die Störung der Aufführung durch die Identitären. Im Anschluss an den Text finden sich auf Jelineks Website Informationen über die Bedeutung der von
Hofer
bei seiner Angelobung im Nationalrat getragenen Kornblume in der antisemitischen Schönerer-Bewegung und als Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten in Österreich.