Kein Licht. (2011/2012/2017)

textgrundlage

textfassung

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Ni­co­las Ste­mann

Komposition

Komposition |

Phil­ip­pe Ma­nou­ry

Personen

A / B / Musiker / Elementarteilchen / Konsumenten (Schauspielerin / Schauspieler); Trauernde / Opfer / Geister der Toten (Sopran / Mezzosopran / Alt / Bariton); Stimmen / Geister (Chor / Gesangsquartett); Hund (Hund); Atomi (eine Puppe); ein Roboter; Philippe Manoury; Arbeiter in Schutzkleidung (Bühnenpersonal).

Orchester

2 Violinen, 1 Viola, 1 Cello, 1 Kontrabass, 1 Flöte, 1 Klarinette, 1 Oboe, 1 Trompete, 1 Horn, 1 Klavier, 1 Schlagwerk, Live-Elektronik.

Abdruck

Aufführung

Preis

Das Opernprojekt wurde 2016 mit dem FEDORA – Rolf Liebermann Prize for Opera ausgezeichnet.

 

Die Oper entstand im Auftrag der

Opé­ra Co­mi­que

in Paris in Koproduktion mit der

Ruhr­tri­en­na­le

, dem Festival Musica de Strasbourg, der

Opé­ra Na­tio­nal du Rhin

, dem Croatian National Theater Zagreb, Les Théâtres de la Ville de Luxembourg, dem IRCAM – Centre Pompidou, den United Instruments of Lucilin, den Münchner Kammerspielen und 105 GeldgeberInnen mittels Crowdfunding.

Das Libretto wurde von

Ni­co­las Ste­mann

unter Verwendung von Jelineks Theatertexten Kein Licht. (2011), Epilog? (2012) und Der Einzige, sein Eigentum (Hello darkness, my old friend) (2017), erarbeitet. Es ist in drei Teile gegliedert. Zwischen ihnen gibt es jeweils ein Zwischenspiel. Die beiden Sprechinstanzen A und B wurden aus Jelineks Kein Licht. übernommen. Weitere wie eine Trauernde aus dem Epilog? sowie die ergänzten Sprechinstanzen Opfer, Geister der Toten und Stimmen sollen von SängerInnen dargestellt werden.

Der erste Teil („2011“) befasst sich mit der Atomkatastrophe (

Ka­ta­stro­phe

) von Fukushima, der zweite Teil („2012“) setzt ein Jahr danach ein und behandelt die Auswirkungen der radioaktiven Verstrahlung. Der dritte Teil („2017“) zeigt die Gegenwart und verhandelt unter Bezugnahme auf

Do­nald Trump

s Präsidentschaft und dessen Atompolitik (

Po­li­tik

) die akute Gefahr eines neuen atomaren Krieges (

Krieg

). Wie Jelineks Theatertexte thematisiert die Oper die Verantwortung für die Umwelt, für vergangene und zukünftige Katastrophen und setzt sich mit dem Spannungsfeld

Na­tur

und

Tech­nik

auseinander.

Die Oper ist als „Work in progress“ konzipiert und wird von

Ste­mann

und

Ma­nou­ry

als „Thinkspiel“ bezeichnet. Sie verbindet gesprochene und gesungene Stimmen mit akustischer und elektronischer Musik.

Ma­nou­ry

kombinierte vorkomponierte orchestrale und elektronische Partitur-Module mit Live-Elektronik.

Nach ihrer Uraufführung bei der

Ruhr­tri­en­na­le

war die Produktion auch an anderen Bühnen zu sehen.

Das deutschsprachige Libretto wurde bislang nicht veröffentlicht. Für die Uraufführung bei der

Ruhr­tri­en­na­le

wurden englische Übertitel in der Übersetzung

Da­vid Tus­hing­ham

s verwendet, für die Aufführung an der

Opé­ra Co­mi­que

in Paris französische Übertitel, übersetzt von

Ruth Orth­mann

.

 

Benjamin von Blomberg:Wie kam es zu der Verbindung zwischen dir und Philippe Manoury?

Nicolas Stemann: Olivier Mantei, der Intendant der Opéra Comique, hat uns zusammengebracht. Noch in seiner Funktion als Intendant des Théatre des Bouffes du Nord plante er ein Projekt mit Philippe Manoury, und der wiederum stellte sich für dieses dezidiert einen Partner vom Theater vor. Jemanden, mit dem er eine Form zwischen den Formen und jenseits der klassischen Oper realisieren könnte. […]

Das heißt, ihr solltet Co-Autoren bei diesem Prozess sein, und ein Work in Progress war von vornherein vorgesehen?

Ja! Das hat sich Philippe Manoury ausdrücklich gewünscht; denn im Musiktheater, wo es ja vor allem um genaues Reproduzieren geht, sind offenen Prozesse sonst völlig ungewöhnlich. Hier soll immer alles perfekt fixiert und festgetackert sein […]. Formal führt das aber absurderweise oft dazu, dass die Dinge (immerhin Musik und Theater!) ihre Offenheit und Freiheit verlieren. Gemeinsam haben wir daher beschlossen, dass Manoury keine fertige Partitur schreibt und ich die dann einfach inszeniere. Sondern ich habe ihn dazu angeregt, einzelne Module zu konzipieren, die sich auf alle erdenklichen Arten (re-)kombinieren lassen und die wir während der Probenphase gemeinsam zum großen Stück zusammenfügen.

Wie kam es zur Stoffwahl?

Ich wusste gleich, dass ich Elfriede Jelinek ins Spiel bringen möchte. Nicht nur, weil ich eine gewisse Erfahrung mit ihren Texten habe und, soweit ich weiß, diese bis auf einmal von Olga Neuwirth bislang nicht für ein umfassendes musiktheatralisches Werk vertont sind – wenn man von unserem „Rein Gold“-Projekt in der Staatsoper Berlin mal absieht.

Sondern warum noch?

Weil uns von Anfang an ein Abend vorschwebte, der mit gesungener Sprache und mit gesprochener Sprache operiert und mit all dem, was noch dazwischen liegt und jenseits. Das ist ein Ansatz, den Philippe Manoury schon lange verfolgt: zu erforschen und erfahrbar zu machen, wann Musik als Musik erlebbar wird und was es heißt zu sprechen. Wie Sprache kommuniziert und wie Musik. Und Jelineks Texte, in denen keine Figuren sprechen, sondern die Sprache selbst eignen sich sehr gut dafür. Zumal es musikalische Strukturen sind, die diesen Texten die Form geben, nicht eine klassische Handlunsgdramaturgie.

Mit welchen Prinzipien oder Techniken experimentiert Philippe Manoury da?

Für „Kein Licht.“ hat er beispielsweise zusammen mit den Sounddesignern von IRCAM die Technologie zur Hand, um gesprochene Sprache in Echtzeit in Klänge umzurechnen, wenn sie bestimmte Parameter ansteuern, und sie so live zu gestalten, zu verzerren, zu überhöhen und auch von den Sprechenden zu entkörperlichen.

aus: Benjamin von Blomberg: Die Harmonie ist gestört . In: Programmheft der Ruhrtriennale zu Philippe Ma-nourys Kein Licht. (2011/2012/2017) , 2017. (Interview mit Nicolas Stemann)

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