Dieser Regisseur bestimmt Existenzen, und die Figuren, die er erschafft, lassen sich nicht mehr definieren als solche,
die auch anders existieren könnten. Sie sind für diese eine einzige Aufführung definiert als die, die sie sind,
während der Autor, die Autorin, die angebliche Autorität gar nichts bestimmt, in meinem Fall jedenfalls,
ich bestimme nichts, es wird geredet und geredet, und meine Figuren könnten in jeder andren Weise auch noch existieren,
solang sie nur weiterreden dürfen, denn ich sehe ja zwanghaft von jeder Vereinzelung ab. Während ein Regisseur wie Jossi Wieler eben,
wie gesagt, Existenz bestimmt als ein Unverwechselbares. Also ein gegenläufiger Vorgang, der, wie alle Vorgänge,
die einander knurrend angreifen, weil sie einander scheinbar ausschließen, ganz besonders produktiv ist:
Das, was ich vage gemeint habe (und meist nicht einmal sprechenden Personen zugeordnet habe!), fließt quellenhaft in die Realität,
die der Regisseur auf der Bühne schafft, ein, nicht als eine Ergänzung eines Textes, sondern als dessen Wirklichkeit.
Meine Möglichkeitsform wird in die Wirklichkeit des Regisseurs gegossen, nicht ein Inhalt in eine Form,
sondern eine Form von Sein (Wasser, Quelle!) in eine andre (Fassung! Abfluß!).
aus: Elfriede Jelinek: Die Leere öffnen (für, über Jossi Wieler) .
In: Kurzenberger, Hajo (Hg.): Jossi Wieler – Theater. Berlin: Alexander Verlag 2011, S. 103-124.
Über den Regisseur
Jossi Wieler
, der Jelineks Theatertexte
Wolken.Heim.
(1988),
er nicht als er (zu, mit Robert Walser)
(Uraufführung, 1998),
Macht nichts
(Uraufführung, 2001),
Ulrike Maria Stuart
(2006) und
Rechnitz (Der Würgeengel)
(Uraufführung, 2008) inszenierte; Hommage an ihn.