Es spricht der König, da läßt er nicht locker, wenn er spricht, läßt er nicht locker, er läßt locker nur 140 Zeichen heraus, oder sind es Silben? Nein, rufe ich,
wovon sollen die Menschen denn frei werden? Vom König doch sicher nicht, oder? Von der Blindgläubigkeit, die jeder Glaube ist?, das ist nicht nötig, spricht der König,
werfen Sie nicht den Glauben von sich, sonst liegen überall diese Glauben, die eigentlich Aberglauben sind, herum, zu Ihren Füßen überall herum, bitte, mich stört das
nicht, ich halte mich niemals unter Menschen auf, nur unter anderen Golfern, aber wenn das geschieht, wenn der Glaube am Boden liegt, wenn Sie den Ball nicht reinkriegen,
obwohl er zehn Zentimeter vorm Loch liegt und mit seinem Fingerchen schon drauf zeigt, dann bricht mit Macht die Brutalität herein, nichts hält sie mehr auf, ja, ganz
genau, wenn Sie keinen Glauben und kein Ziel mehr haben, dann passiert sowas, denn die Verbrecher, die Terroristen, die zu uns hereinwollen, aber nicht sollen und auch
bald nicht mehr dürfen, die behalten ihren Glauben. Die behalten ihn. Wir schmeißen ihn weg, die aber behalten ihn, wenn auch einen anderen. So unfair! Echter Skandal,
die dürfen ihren Glauben behalten, während Sie Ihren so einfach von sich schleudern! So viele schöne Gedanken enthält der Glaube, wenn man ihn näher betrachtet. Sie
glauben, Sie müssen sich vom Glauben freimachen? Das ist falsch, denn die anderen machen sich ja auch nicht frei, die warten nur darauf, daß Sie an gar nichts mehr glauben!
Lang wird das nicht mehr dauern. Schrecklich! Unfair behandelt! Tochter so ein guter Mensch, macht so schöne Sachen und wird überall rausgeschmissen. Diese Tochter hat
Gedanken und äußert sie auch, so gute Gedanken, so ein guter Mensch, sie äußert ihre Gedanken in Form von Schuhen, Taschen und Schmuck und was weiß ich noch. Man kann
ihre Gedanken sehen! Wer bringt das noch zustande? Niemand! Aber was hat die Menschheit? Was hat sie davon? Die hat jetzt nichts mehr, denn die Ketten haben die Ketten
weggeworfen wie die Menschen es nicht getan haben.
aus: Elfriede Jelinek: Der Einzige, sein Eigentum. (Hello darkness, my old friend) .
In: manuskripte 216 (2017), S. 51-53, S. 53.
Ausgangspunkt für Der Einzige, sein Eigentum (Hello darkness, my old friend) war die Wahl
Donald Trumps
zum Präsidenten der
USA
2016 (
Politik
). Der Theatertext ist in drei Teile und in Absätze gegliedert. Er ist nicht auf SprecherInnen aufgeteilt. Gegen Ende des ersten Teils gibt eine Regieanweisung „irgendwelche[n] Wesen, Dybbuks?, Geister?“ an. Der Titel verweist auf
Max Stirners
Der Einzige und sein Eigentum (1844) und auf Simon & Garfunkels Song The Sound of Silence (1964).
Unter Bezugnahme auf
Max Stirner
verhandelt der Theatertext Egoismus und die Macht der Leistungsgesellschaft (
Gesellschaft
) und des
Kapitalismus
. Ein König wird thematisiert, der sein egoistisches Begehren über das Wohl der Gemeinschaft stellt. Der Theatertext bezieht sich auch auf die Diskrepanz zwischen
Trumps
Verschuldung und seinen Angaben über sein Vermögen, auf sein Auftreten in der Öffentlichkeit, seine Haltung zu Glauben und Religion, insbesondere in Zusammenhang mit dem von ihm im Jänner 2017 verordneten Einreisedekret für Menschen aus muslimischen Ländern (
Fremdenfeindlichkeit
). Bezüge gibt es auch zu
René Girards
Das Heilige und die Gewalt und dessen Theorie vom mimetischen Begehren.
„Die üblichen Verdächtigen haben mitgewirkt:
Heidegger
,
René Girard
etc. Suchen Sie sie selber heraus! Ich habe noch nie einen eigenen Gedanken gehabt.
Dazu noch:
Max Stirner
(„Der Einzige und sein Eigentum“)
Die Klagelieder (übersetzung [sic!]
Luther
)“
Der Gesamttext ist bislang unpubliziert, ein Ausschnitt wurde 2017 in der Zeitschrift manuskripte veröffentlicht.
In der Folge erweiterte Jelinek Der Einzige, sein Eigentum (Hello darkness, my old friend) zum Theatertext
Am Königsweg (2017)
.