Tod-krank.Doc

(für Christoph Schlingensief)

Uraufführung am Burgtheater Wien, 2009. Foto: Burgtehater Wien / Georg Soulek

Abdrucke

Erstveröffentlichungen:

Teilabdruck:

Aufführungen

DVD

Mea Culpa. Eine ReadyMadeOper.

Schlin­gen­sief, Chris­toph

Wien

:

Ho­anzl

2009

.

Aufzeichnung aus dem Burgtheater 2009.

 

Jelinek verfasste den Text für

Chris­toph Schlin­gen­siefs

Projekt Mea Culpa. Eine ReadyMadeOper 2009 am Wiener Burgtheater. Sie orientierte sich dafür an

Schlin­gen­siefs

Fluxusoratorium Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir (Ruhrtriennale 2008) und verarbeitete neben Bildern dieser Inszenierung auch das von

Schlin­gen­sief

während seiner Krebskrankheit (

Krank­heit

,

Kör­per

) verfasste Tagebuch, das 2009, ein Jahr vor seinem

Tod

, unter dem Titel So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! in Buchform erschien.

Der Text ist in sechs Teile gegliedert, die durch Unterüberschriften voneinander getrennt sind: Im Wald , In der Maschine , In der Krankheit , Im Bus , Im Keller sowie In der Hölle . Auf ihrer Website veröffentlichte Jelinek zunächst (2009) nur die vier letzten Teile. Die ersten beiden Teile wurden von Fotoarbeiten

Mar­ko Zinks

inspiriert. Der erste Teil Im Wald wurde in dem von der Galerie Michaela Stock 2010 herausgegebenen

Katalog

zu

Mar­ko Zink

publiziert. Der zweite Teil In der Maschine blieb zunächst unveröffentlicht. 2014 veröffentlichte Jelinek auf ihrer Website die vollständige Fassung von Tod-krank.Doc mit allen sechs Teilen.

In keinem der Textabschnitte finden sich Regiebemerkungen oder Angaben zu Figuren und Schauplätzen.

Über ihre Quellen hat Jelinek dem Text Folgendes nachgestellt:

„Danke allen, vor allen anderen:

Aischy­los

(‚Die Schutzflehenden‘)“

Neben

Aischy­los

Die Schutzflehenden (

An­ti­ke

) verarbeitete Jelinek auch Zitate aus

Eu­ri­pi­des

Herakliden . Weitere Bezugspunkte sind der Fall

Fritzl

sowie ein Busunglück in München (Trudering-Riem) am 20.9.1994 (

Ka­ta­stro­phe

), mit denen sich Jelinek in den Abschnitten Im Keller und Im Bus auseinandersetzt. Während in Im Wald und In der Maschine das Spannungsfeld von

Na­tur

und

Tech­nik

thematisiert wird, wird in In der Krankheit und In der Hölle auf Schlingensiefs Krebserkrankung Bezug genommen. Mit dem in In der Hölle verarbeiteten Motiv der Verbrennungsöfen werden auch Verbindungen zum

Na­tio­nal­so­zia­lis­mus

und zum Holocaust (

Ju­den­ver­nich­tung

) hergestellt.

Schlin­gen­sief

verwendete nur eine Passage aus Jelineks Text für sein Projekt Mea Culpa , das nach Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir und Der Zwischenstand der Dinge der dritte Teil einer autobiographischen Trilogie war. Angekündigt wurde das Projekt folgendermaßen: „ Mea Culpa. Eine ReadyMadeOper auf dem Rücken von

Jo­hann Se­bas­ti­an Bach

,

Jo­seph Beuys

,

Jo­hann Wolf­gang Goe­the

,

Ed­vard Grieg

,

Jörg Im­mendorff

,

De­rek Jar­man

, Elfriede Jelinek,

Em­me­rich Kál­mán

,

Sø­ren Kier­ke­gaard

,

Gus­tav Mahler

,

Jean-Luc Nan­cy

,

Fried­rich Nietz­sche

,

Ar­nold Schoen­berg

,

Franz Schu­bert

,

Ro­bert Schu­mann

,

Ri­chard Wag­ner

,

Sla­voj Žižek

und dem Hexer von Niedernhall u.v.a.“.

Vom Theater und den Medien wurde

Mir­ko Borschts

Inszenierung am Theater Bremen (29.11.2013) als eigentliche Uraufführung bezeichnet.

Jelinek las den Text für

„AUSLÄNDER RAUS“ – Das Festival (und: ein Geburtstagsfest für

Chris­toph Schlin­gen­sief

), das anlässlich von

Schlin­gen­siefs

60. Geburtstags am 24.10.2020 im

Schau­spiel­haus Wien

stattfand, für eine Videobotschaft ein, die im Rahmen der Veranstaltung gezeigt wurde.

 

Regula Schröter:Tod-krank.Doc entstand 2009. Sie widmeten den Text ihrem künstlerischen Wegbegleiter und Freund Christoph Schlingensief.

Elfriede Jelinek: Der Text war eigentlich ein Auftrag von Christoph Schlingensief. Er hatte mir dafür, noch vor der Veröffentlichung von „So schön wie hier…“, Texte zur Verfügung gestellt, die er noch im Spital geschrieben hatte. Er hat „Mea Culpa“ dann aus Zitat-Montagen gemacht, in denen der Text nicht vorkam, oder nur ein, zwei Sätze daraus. Ich habe einen Aufsatz dazu geschrieben, der in der Homepage ist, warum er es gar nicht verwenden konnte, weil das nicht seiner Arbeitsweise entsprochen hat. Es hätte mir klar sein müssen, daß er mit einem Text dieser Art, der so gearbeitet ist wie dieser, nichts anfangen würde können. Vielleicht hat er es selbst geglaubt, aber er hat immer die Fragmentierung gebraucht, um sich sozusagen zwischen die Texte mit seinen Bildern zu schieben.

[…] Wie kam es dazu, daß Sie die äußerlich erst mal recht verschiedenen Geschichten der Krankheit von Christoph Schlingensief, des Busunglücks von München Trudering und den Fall Fritzl nebeneinandergestellt und miteinander verbunden haben?

Christophs Krankheit bedenkend, die man ja nicht sah, die im Inneren seines Körpers gewütet hat, habe ich mich dafür interessiert, Dinge zu beschreiben, die durch die Oberfläche gebrochen sind, sich im Inneren, im Keller, in einer Höhle unter der Straße, in der ein Bus versinkt, etc. abspielen. Es war sein Wunsch, dass Amstetten und der Keller vorkommen sollte. Ich habe ja noch öfter darüber geschrieben.

aus: Regula Schröter: Elfriede Jelinek im E-Mail Gespräch mit der Dramaturgin Regula Schröter. http://www.theaterbremen.de/de_DE/spielplan/tod-krank-doc-ua.951853 (15.7.2014) (= Website des Theater Bremen).

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