Die Liebhaberinnen

Roman

Cover des Erstdrucks, 1975

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Der Roman ist in Kleinschreibung verfasst und in 34 Abschnitte gegliedert, die folgendermaßen eingeleitet werden (hier durch Strichpunkte voneinander getrennt):

vorwort; anfang:; am beispiel paula; was ist das was da so leuchtet?; und weiter geht das schlechte beispiel paula; auch ekelt sich brigitte vor heinz! auch brigitte ekelt sich vor heinz; doch eines tages; war das wieder ein schöner beischlaf!; nur die liebe läßt uns leben!; beim spazierengehen faßt brigitte; paulas vorlieben; eines tages waren brigitte und heinz; fortsetzung: paulas gefühle; brigitte haßt heinz; jetzt ist die liebe also da; die unterschiede zwischen susi und brigitte. das eventuell gemeinsame zwischen susi und brigitte; wo eine liebe ist, da ist auch ein weg; leider; da ist es; ich habe eine freundin sogar; oben in der natur; wir müssen das schicksal brigittes an dieser stelle ein wenig abrupt abreißen; jetzt wird paula; brigittes weiteres schicksal; die stunden verrinnen; zwischenbericht:; asthmas tod machts möglich; über brigittes gebärmutter:; die HOCHZEIT; muß i denn muß i denn zum häusele hinaus... (ein elternpaar wird flügge); und was paula? auch ein reich; und noch eine verlobung; wie paula sich hinreißen läßt; NACHWORT:.

Jelinek parodiert in diesem Anti-Heimat- und Anti-Liebesroman (

Hei­mat

) die Trivialmythen (

Tri­vi­al­my­thos

) im Kontext von Liebe,

Fa­mi­lie

und

Mut­ter

sowie die Rollenbilder von

Frau

und

Mann

in den patriarchalen Strukturen (

Pa­tri­ar­chat

) der österreichischen Provinz (

Ös­ter­reich

). Brigitte versucht der

Aus­beu­tung

, der sie als

Ar­bei­te­rin

in einer Miederwarenfabrik ausgesetzt ist, zu entfliehen und sieht in der Heirat (

Ehe

) mit dem Elektroinstallateur Heinz die Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs (

Ge­sell­schaft

). Paula will Schneiderin werden und sehnt sich nach den Glücksversprechungen des durch die Massenmedien (

Me­di­en

) transportierten Trivialmythos der großen Liebe. Durch eine ungewollte Schwangerschaft muss sie ihre Lehre abbrechen und heiratet den Holzfäller Erich. Ihre Ehe und die durch die Alkoholsucht ihres Mannes verursachte finanzielle Notlage ihrer Familie treibt sie in die

Pro­sti­tu­ti­on

. Als sie dabei erwischt wird, wird sie schuldig geschieden und verliert ihre Kinder. Schließlich landet Paula dort, wo Brigitte begonnen hat: in der Miederwarenfabrik.

Eine Figur namens Brigitte kommt auch im Roman

Neid (2007/2008)

, eine Figur namens Erich im Roman

Oh Wild­nis, oh Schutz vor ihr (1985)

vor.

 

 

Josef-Hermann Sauter: […] Den Versuch, Klischees durch Parodie zu zerstören, haben Sie in dem Roman „Liebhaberinnen“ weiterentwickelt. Welche methodischen Konsequenzen zogen Sie aus „Michael“?

Elfriede Jelinek: […] Zum ersten Mal handeln hier keine Kunstfiguren, sondern es geht um das wirkliche Leben. Diesem Buch liegt eine wahre Geschichte zugrunde. Ich kenne dieses Mädchen Paula. Wir haben ein Bauernhaus auf dem Land, ich bin da geboren. Ich habe zwar immer in der Großstadt gelebt, war aber in den Sommerferien stets draußen. Die beiden Frauen scheitern eigentlich an den Klischeevorstellungen vom Glück und von der kleinbürgerlichen Häuslichkeit, die sie sich selbst nicht erfüllen können. In dem einen Fall hat die Frau Glück, und die Ehe hält, in dem anderen Fall nicht, weil der Mann dieser Frau Alkoholiker ist und alles vertrinkt. Nicht etwa, weil er ein Sadist oder ein Schwein ist, sondern weil ihn seine unmenschlichen Lebensumstände kaputt gemacht haben. Insofern ist es wieder kein feministisches Buch, sonst müßte ich im Mann ja den Gegner zeigen. [...]

„Liebhaberinnen“, 1975 erschienen, ist ja Ihr vorläufig letzter Roman, Frau Jelinek, muß dieser Titel eigentlich ironisch genommen werden?

Ursprünglich wollte ich ein Gegenstück zu D. H. Lawrence „Söhne und Liebhaber“ machen. Nur kann man im Deutschen nicht sagen „Töchter und Liebhaberinnen“. Töchter hat im Deutschen so einen Beigeschmack von „höhere Töchter“. Das ist also ideologisiert. Deswegen habe ich es nur „Liebhaberinnen“ genannt. Es war mir wichtig zu zeigen, daß Liebe nicht etwas ist, was von Gott oder vom Himmel oder von sonst einem gütigen Geschick kommt, sondern daß Liebe, genau wie alles andere, von harten ökonomischen Tatsachen determiniert wird. [...]

Sie erzählen das Schicksal Paulas und Brigittes parallel, arbeiten stark mit Wiederholungen, was die Intensität des Erzählens ungemein steigert, und montieren. Wie fanden Sie, Frau Jelinek, zu dieser Form, die sich von der linearen Erzählweise in der Erzählung „Paula“, in der Sie den Stoff wieder aufgriffen, stark unterscheidet?

Ich glaube, das kommt daher, daß ich zwei Romane geschrieben habe, bei denen sich die ästhetische Methode stark verselbständigt hatte und eine starke Künstlichkeit, dem Gegenstand angemessen, in der Sprache da war, die ich auch in den „Liebhaberinnen“ ästhetisch beibehalten habe, obwohl der Gegenstand mehr in der Wirklichkeit angesiedelt ist. Ich meine überhaupt, daß durch die Künstlichkeit der Sprache, die manchmal fast eine Kindersprache oder wie eine Sprache in Kinderbüchern ist, sich die Wirkung steigert. Ein simpler Naturalismus ist nicht imstande, alle Aspekte der Wirklichkeit so abzubilden, daß sie als veränderbar erkannt werden kann, sondern liefert vielleicht ein plattes Abziehbild.

aus: Josef-Hermann Sauter: Interviews mit Barbara Frischmuth, Elfriede Jelinek, Michael Scharang . In: Weimarer Beiträge 6/1981, S. 109-117, S. 112-114.

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