Anton Thuswaldner: Ihr neuer Roman „Gier“ beschäftigt sich mit österreichischen Verhältnissen. Was hat Gier mit Österreich zu tun?
Elfriede Jelinek: Die Gier ist eine universelle Eigenschaft. Natürlich findet man sie überall. Allerdings wird es prekär, wenn die Gierigen von der Gesellschaft sozusagen noch belohnt werden, und zwar gerade, vielleicht sogar ausschließlich für diese Gier. Die Anständigen, Fleißigen und Tüchtigen, denen jetzt angeblich ganz besonders die Welt gehört, mögen zwar anständig, fleißig und tüchtig sein, doch braucht man ihnen die Welt nicht noch in die Hand zu geben. Sie gehört ihnen ohnedies schon. Und was ihnen nicht gehört, das nehmen sie sich auch noch. Auf die Schwachen, Untüchtigen, Ausgegrenzten, auf die müsste man schauen. Genau das wird zwar derzeit besonders gern behauptet, aber wenn man genauer hinschaut, merkt man, es gilt umso mehr: alle Macht den Tüchtigen! Die anderen sollen selber schauen, wo sie bleiben.
aus: Anton Thuswaldner: Grauen des Alltags fassen. In: Salzburger Nachrichten, 18.10.2000.
In Zusammenhang mit
Gier
über
Österreich
, die österreichische Mentalität und die „Anständigen, Fleißigen und Tüchtigen“. Im Roman gehe es darum, „das Grauen des Alltags zu fassen“ und im „Psychogramm eines Täters und seiner Opfer“ den „Zustand der gesamten Gesellschaft“ (
Gesellschaft
) zu spiegeln. Den Untertitel Unterhaltungsroman erläutert sie dahingehend, dass sie im Text „an den Oberflächenphänomenen bleibe“, diese aber „überdeutlich vergrößert“.