Ikarus, ein höheres Wesen

Klammer, Josef: PIECES FOR SYNTHETIC VOICES. Wien: Extraplatte 2006

Leitungsteam

SprecherInnen

Erstsendung

  • 18.7.2004

Weitere Aufführung (Ausschnittsweise):

  • 10.1.2005

    Al­te Schmie­de

    , Wien (im Rahmen der Veranstaltung Literatur als Radiokunst)

Abdrucke

Erstdruck:

Weiterer Abdruck:

Weitere Veröffentlichung:

Audio-datei des Hörspiels online

CD

 

Jelinek verfasste Ikarus. Ein höheres Wesen ursprünglich für eine Tanztheater-Produktion von Violanta de Raulino. Das Hörspiel entstand auf Grundlage von Jelineks Text zu einer Zeit, in der die Realisierung als Tanztheater noch ungeklärt war. 2006 erfolgte die Uraufführung des Tanztheaters

Ika­rus

.

Der Text, der sich auf den antiken Mythos (

An­ti­ke

) von Daedalus und Ikarus bezieht, wurde von Jelinek selbst eingelesen. Dabei wurde Jelineks Stimme vom Musiker

Jo­sef Klam­mer

, der bereits die Musik zu

Ernst M. Bin­ders

Inszenierung ihres Theatertextes

Das Schwei­gen

komponierte, mittels eines Sprachsynthetisierungsprogramms akustisch bearbeitet. Neben dem gelesenen Text werden auf einer zweiten, parallel laufenden Tonspur Vokale und Konsonanten eingespielt, die Klammer aus dem Gesamttext extrahierte.

 

„Ikarus“ – der von Elfriede Jelinek gesprochene Text blieb unverändert, ihre Sprach-Rhythmik und Sprachmelodie steuerten die zuvor aus dem Text-Dokument extrahierten und von einem Sprach-Synthese-Programm gesprochenen Konsonanten und Vokale.

Dabei bin ich ähnlich vorgegangen wie bei der Theatermusik zu Jelineks „Das Schweigen“ (Regie: Ernst M. Binder 2003):

Auch hier habe ich nach dem archaischen Prinzip der Klangfindung Sprachsynthese-Software (TTS-Software = Text To Speech) auf ihre phonologisch-musikalischen Inhalte untersucht. Diese Sprach-Prothesen habe ich mit Buchstaben und Buchstabenfolgen gefüttert und aus den generierten Klängen phonogene Musikstücke entworfen, die dem natürlich gesprochenen Bühnen-Wort gegenüberstehen.

Bei „Das Schweigen“ habe ich die ursprüngliche Aufgabe von TTS-Software – eingegebene Texte in möglichst hoher Qualität akustisch wiederzugeben – mißbraucht. Ich habe mit Buchstabenfolgen experimentiert, indem ich so lange mit den Buchstaben jongliert habe, bis die Maschine für mich kompositorisch verwertbare Bausteine abgeworfen hat.

Bei „Ikarus“ war ich radikaler, ich wollte die Originalstimme von Elfriede Jelinek nicht verändern, ich habe lediglich ihre Sprach-Rhythmik, ihre Sprachmelodie zur Steuerung herangezogen.

Zuvor habe ich aus dem Text jeweils die Vokale und die Konsonanten extrahiert, Zwischenräume und Satzzeichen blieben erhalten. Die so entstandenen Buchstabenketten, die das Sprachsyntheseprogramm „sprechen“ mußte, ergaben keinen semantischen Sinn mehr, sie sind scheinbar zufällig angeordnet, sind aber chronologischer Bestandteil des „Ikarus“-Textes geblieben.

Bei der Endfertigung des „Ikarus“-Stücks lief diese Vokal- und Konsonanten-Spur im Hintergrund, erst durch Lautstärken-Modulation hat sie Elfriede Jelineks Stimme in den Vordergrund geholt:

Der Tonhöhenverlauf hob die Vokal-Spur hervor, der Rhythmus die Konsonanten-Spur.

Ich ließ das Werkl laufen, ohne kompositorischen Eingriff, mit wellenartigen Bewegungen der Sonne entgegen!

Josef Klammer: Originalbeitrag.

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