Der Jude von Malta (The Famous Tragedy of the Rich Jew of Malta, um 1590, gedruckt 1633)
Erstaufführung am Burgtheater Wien, 2001. Foto: Burgtheater Wien / Roswitha Hecke
Erstaufführung am Burgtheater Wien, 2001. Foto: Burgtheater Wien / Roswitha Hecke
Marlowe, Christopher
:
Der Jude von Malta. In: Programmheft des Wiener Burgtheaters zu Christopher Marlowes in der Übersetzung von Elfriede Jelinek
2001
.
Marlowe, Christopher
:
Teilabdruck
„Szene aus dem 2. Akt“. In: vorspiel. Das Magazin des Wiener Burgtheaters 5/
2001
.
Marlowe, Christopher
:
Teilabdruck
Prophetin des Untergangs. Elfriede Jelinek übersetzte Marlowes Schreckensstück. In: News,
6.12.2001
.
14.12.2001
Burgtheater Wien
, I:
Peter Zadek
1.3.2002
Bremer Theater
, I:
Michael Talke
Jelineks Essay
„Der Jude muß verschwinden“ (2001)
Jelineks Essay
E-Mail an Karin Rausch (2001)
Natürlich ist Der Jude von Malta ein antisemitisches Stück,
es kommen alle antisemitischen Stereotypen darin vor, mit einem Antisemitismus,
der sozusagen seine Unschuld auch noch, in aller Unschuld, behauptet.
Es ist sozusagen ein selbstverständlicher Antisemitismus. Aber gleichzeitig
entlarvt es auch den Antisemitismus, und darin wird es interessant. Denn ausgelöst wird
die Raserei des Barabas ja von den unerhörten Schandtaten von Christen. Und wie von einem
Spiegel werden diese Untaten stets auf denjenigen zurückgeworfen, der sie auslöst und
damit auch gleichzeitig eine neue „Runde“ in der Eskalation von Gewalt auslöst
(das ist natürlich paradigmatisch für die politische Situation derzeit). Bis sich das in
einer aberwitzigen Spirale von Enteignung, Brutalität, Diebstahl und Mord so lange dreht,
bis (und das ist fast schlimmer als wenn alle tot wären) der status quo ante wieder erreicht
ist und die Macht sozusagen wieder an ihrem Platz ist, bei den Kreuzrittern und beim siegreichen
Gouverneur, während der Jude wie in einem Brennspiegel, in dem sich der Haß gegen ihn fokussiert
hat, verbrennt (im siedenden Öl gekocht wird), man könnte auch sagen: sich in der Grube, die er
andren gegraben hat, auflöst und verschwindet. Der Jude muß sozusagen verschwinden, damit
er die Gemeinheit der Christen nicht mehr spiegeln kann. Damit die Christen nicht mehr sich
selbst anschauen müssen, und die Christen sind hier ja Kreuzritter, Imperialisten, Völkermörder,
das darf man nicht vergessen. [...] Während aber diese Kreuzrittergesellschaft einfach ihre
Verbrechen begeht, hat der Jude Barabas, und darin liegt, wie ich finde, die Modernität dieser
Figur, das Geld als eine Art Vermenschlichungsmaschine entdeckt. Man könnte sagen: der abstrakte
Tausch paradoxerweise als das einzige zivilisatorische Element einer Raubritter-Gesellschaft.
Als Ersatz für die dunklen Primärtriebe und atavistischen Greuel. Geld als Objektivierungsmechanismus.
Die Übersetzung war eine Auftragsarbeit für
Peter Zadeks
Inszenierung am
Wiener Burgtheater
. Jelinek erstellte sie zusammen mit
Karin Rausch
. Die Übersetzung wurde im Programmheft des
Wiener Burgtheaters
abgedruckt. Das Programmheft des
Wiener Burgtheaters
enthält auch einen von Jelinek in Zusammenarbeit mit
Karin Rausch
übersetzten Prolog von
Thomas Heywood
( Prolog 1633 ), der 1633 für eine Aufführungsserie des Juden von Malta im Theater Cockpit in London entstanden war.
Jelinek und
Rausch
aktualisierten
Marlowes
Sprache durch die Verwendung zeitgenössischer Begriffe und Sprachspiele und ersetzten den Blankvers des Originals durch rhythmisierte Prosa. Das Stück ist in fünf Akte gegliedert und handelt von der Enteignung des jüdischen Kaufmanns Barabas durch den christlichen Gouverneur Farnese. Barabas rächt sich dafür und setzt so eine Spirale aus Intrigen, Mord und
Gewalt
in Gang. Am Ende des Stücks wird Barabas jedoch verhaftet und stürzt in einen Kessel mit kochendem Wasser. Der
Antisemitismus
des Stücks sowie die Reflexionen über das Konfliktpotential von Religion werden in Jelineks und
Rauschs
Übersetzung in den Vordergrund gestellt.
In den Rezensionen zur Erstaufführung am
Burgtheater
(mit
Gert Voss
in der Hauptrolle) wurden die Aktualisierungen der Übersetzung unterschiedlich bewertet.