Bambiland

Uraufführung am Burgtheater Wien, 2003. Foto: Burgtheater Wien / Christian Brachwitz

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Anlass für Bambiland war der

Krieg

der

USA

gegen den Irak (

Irak­krieg

) im Jahr 2003. Mit dem Titel Bambiland bezieht sich Jelinek auf einen Vergnügungspark bei Belgrad, der

Mar­ko Mi­loše­vić

gehörte, und auf Babilan , eine Zeitschrift, die

Udai Hus­sein

herausgab. Der Text ist durch Leerzeilen gegliedert und enthält keine Angaben zu Figuren oder Schauplätzen. Auf Jelineks Website, auf der Bambiland zunächst veröffentlicht wurde, dem Erstdruck in der Zeitschrift Theater heute , dem Abdruck im Programmheft des

Wie­ner Burg­thea­ters

und in der Buchausgabe hat die Autorin dem Text einen Epilog hinzugefügt, der von folgenden Sätzen eingeleitet wird:

„GOTT WELCHER AUCH IMMER ERSCHEINT IN EINER WOLKE UND SAGT ENDLICH DIE
WAHREHEIT DIE WIR SCHON VERMISST HATTEN
NA DIE HABEN WIR NOCH GEBRAUCHT!“

Über ihre Quellen hat Jelinek dem Text Folgendes vorangestellt:

Meinen Dank an

Aischy­los

und die ‚Perser‘, übersetzt von

Os­kar Wer­ner

. Von mir aus können Sie auch noch eine Prise

Nietz­sche

nehmen. Der Rest ist aber auch nicht von mir. Er ist von schlechten Eltern. Er ist von den Medien.

Ein Großteil des Textes, der die Vermittlung des Irakkriegs in den

Me­di­en

und die unreflektierte Rezeption der gezeigten Bilder thematisiert, wird von einem Wir gesprochen. Ein zentraler Intertext ist

Aischy­los

’ Tragödie Die Perser . Die Perserkriege der

An­ti­ke

werden dadurch mit dem Irakkrieg in Beziehung gesetzt. Ausgehend von den unter dem Schlagwort „war on terror“ (

Ter­ro­ris­mus

) firmierenden Rechtfertigungsversuchen des Militäreinsatzes durch die US-Regierung unter

Ge­or­ge W. Bush

(

Po­li­tik

) reflektiert der Text auch das Spannungsverhältnis zwischen Christentum und

Is­lam

.

Die Uraufführung am Wiener Burgtheater war die zweite Station von

Chris­toph Schlin­gen­siefs

„attaistischem Welttheater“ nach Atta Atta (2003) an der Berliner Volksbühne. Ihr folgte als dritte Station Attabambi-Pornoland. Eine Reise durchs Schwein (2004) am Schauspielhaus Zürich, für die Jelinek die beiden Monologe

Irm sagt:

und

Mar­git sagt:

verfasste. Das „attaistische Welttheater“ stand im Kontext von

Schlin­gen­siefs

CHURCH of FEAR .

 

N. N.: Warum haben Sie sich entschlossen, einen Theatertext über den Irak-Krieg zu schreiben?

Elfriede Jelinek: Ich würde sagen, „Bambiland“ ist nicht einfach ein Theatertext über den Krieg oder nicht nur, es ist eher ein Text darüber, wie ein Krieg – der in diesem Fall, aufgrund des „embedded journalism“, sozusagen die Kriegsberichterstatter mit der kämpfenden Truppe „mitgenommen“ hat, dabei eine Authentizität vortäuschend, die es nicht geben kann –, wie soll ich sagen: rezipiert, umbrochen, interpretiert werden kann. Sozusagen die Ebene der zweiten Natur, aber Krieg ist ja nicht etwas Naturhaftes, auch wenn das oft behauptet wird.

Sie zitieren „Die Perser“ des Aischylos und westliche Medienberichte und collagieren beide Ebenen mit Ihren eigenen witzigen Kommentaren...

Es wird nicht aus den „Persern“ des Aischylos zitiert, um das Große, Imperialistische von Eroberung zu vergötzen, sondern um ein Beispiel in der Literatur zu finden, in dem der Kriegsgegner nicht verachtet, vernichtet, ausgelöscht wird, sondern in dem seine Taten Wertschätzung erfahren (also der Gegner nicht einfach Dreck, Abschaum ist); und zwar nicht, um die Taten des Siegers noch größer und heldenhafter erscheinen zu lassen, sondern um, nur mit den Mitteln der Sprache, den Gegner im Krieg „leben“ zu lassen, auch wenn man ihn tötet, sozusagen etwas Benennbares aus dem Gegner zu machen, anstatt ihn auszuradieren. Ich fand das gerade in diesem Krieg, der ja kein Krieg im eigentlichen Sinn war (das Ergebnis stand ja von vornherein fest, man könnte sagen: es war eine Strafexpedition), wichtig, wo eine drückend sowohl technologisch als auch logistisch überlegene Heermacht einen in jeder Weise hoffnungslos unterlegenen Gegner quasi überfährt. Über ihn drüberfährt. Die dritte Ebene dazu sind die sarkastischen Kommentare der Autorin, die, völlig machtlos, gleichzeitig spricht und schweigt, weil Ironie ja das einzige Mittel der hilflos Zusehenden ist, um ihre Hilflosigkeit wegzudrücken, zu bannen. Und ein Bannfluch geht nur mit Sprache. Die Sprache ist das einzige, was ihr, dieser Zusehenden, zur Verfügung steht, und selbst mit der Sprache kann man als Autorin nur einen Abklatsch liefern; aber man kann durch die verschiedenen Sprachebenen, die man benutzt, eine Art Mosaik herstellen, eine neue Wirklichkeit, die sich aus vielen Facetten zusammensetzt und aus verschiedenen Diskursen, vom dichterischen des Aischylos bis zum banalsten des Fernsehkommentators.

aus: N. N.: „Es gibt keine Möglichkeit, sich einem Krieg zu nähern.“ In: Bühne 12/2003, S. 16-17.

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