„Trigger your text“ – „Wolken. Heim“

Eine interaktive Computerinstallation

Installation

Textgrundlage

Jelineks Theatertext

Wol­ken.Heim. (1988)

Realisierung

Installation:

Han­nes Franz

Programmierung der Installation:

Gott­fried Hüngs­berg

(unter Verwendung der Stimme von

Bar­ba­ra Nüs­se

auf der

Wol­ken.Heim.

-CD des Steidl-Verlages 1993)

Präsentationen

Weitere Präsentationen:

Video-Dokumentation

  • „wörter brauchen keine seiten“ LITERATUR + MEDIEN. … literarische Projekte jenseits des Mediums Buch – im öffentlichen und im elektronischen Raum …

    Wien

    :

    Li­te­ra­tur + Me­di­en

    1994

    .

    Diese Video-Dokumentation gibt einen Überblick über das Projekt wörter brauchen keine seiten . Jelinek äußert sich darin zur Installation, die auch zu sehen ist.

 

„Trigger your Text“ – „Wolken. Heim“ wurde für das Projekt wörter brauchen keine seiten entwickelt, das von Literatur + Medien (Konzept:

Chris­ti­ne Böh­ler

,

Bern­hard Fetz

) organisiert wurde. Dieses Projekt, bei dem es um Formen literarischer Artikulation abseits der klassischen Medien Buch und Theater im elektronischen und öffentlichen Raum ging, fand vom 16.4. bis 7.5.1993 in Wien statt (

Li­te­ra­tur­haus

, Westbahnhof, Kunsthalle am Karlsplatz, Z-Netz, Literaturnetz, Plakate).

Die Installation, die nicht mehr erhalten ist, bestand aus einem Computerspiel, bei dem der/die SpielerIn Texte aus dem Theatertext

Wol­ken.Heim.

gewinnen konnte. 128 Textfragmente waren gespeichert, die drei Gruppen (1. Die „reine Idee“, 2. Die „politische Idee“, 3. Die „praktische Idee“) zugeordnet waren. Diese Gruppen wurden in jeweils drei „Härtegrade“ unterteilt, sodass insgesamt neun Gruppen zur Verfügung standen. Vor Spielbeginn wurde die Installation im Vorspann vorgestellt, eine Aufforderung zum Spielen eingeblendet und eine Gebrauchsanweisung angezeigt. Das eigentliche Spiel bestand im „Fliegenklatschen“: mittels Joystick mussten möglichst viele Fliegen erschlagen werden, ohne von den Fliegen in eine Ecke gedrängt zu werden. Die Belohnung bestand aus Textausschnitten aus

Wol­ken.Heim.

. Das Spielverhalten bestimmte die Textebene des Gewinns: „Wenn man unaggressiv spielt, bekommt man einen lyrischeren Text – vielleicht von

Höl­der­lin

oder

Kleist

. Hat man aggressiv gespielt, erhält man einen aggressiveren Text von

Goeb­bels

oder

Heid­eg­ger

“, so Jelinek in der Videodokumentation „wörter brauchen keine seiten“ LITERATUR + MEDIEN. Wenn man nicht spielte, wurden Videoclips und Textbeispiele angezeigt, und die Installation lud in bestimmten Abständen zum Spielen ein.

An der Installation ist Jelineks Interesse an neuen Formen der Literaturvermittlung ablesbar. Die Thematik von

Wol­ken.Heim.

,

Frem­den­feind­lich­keit

vor dem Hintergrund eines nationalistischen Heimatbegriffs (

Na­tio­na­lis­mus

,

Hei­mat

,

Deutsch­land

), der sich u.a. aus der

Phi­lo­so­phie

des Idealismus ableitet, bestimmt auch diese Installation.

 

Zwei 3m hohe, geschwungene Silhouettenformen stehen als Pendants zueinander versetzt im Raum. Während die hintere Form an der Wand lehnt, ist die vordere freistehend platziert. Die beiden gedrungenen Aluminiumfigurinen sind mit einer empfindlichen, orange-roten Polyamidbeschichtung überzogen, die durch elektrostatische Beflockung aufgetragen wurde. Die scherenschnittartigen Gebilde wecken die unterschiedlichsten Assoziationen von anthropomorphen Anklängen, über barocke Altarprospekte bis hin zu fernöstlichen Schreinen. Der davor aufgestellte meterhohe Zylinder, auf dem ein Bedienungshebel angebracht ist, erinnert formal an eine Kerze. Dies trägt in entscheidendem Maße zu dem hieratischen und sakralen Charakter der Installation bei.

Über den Joystick kann der Betrachter ein aggressives Videospiel, welches auf das Totschlagen virtueller Fliegen abzielt, auf einem der beiden in die Silhouettenform eingebauten Monitore steuern. Je nachdem wie mit der Fliegenklatsche umgegangen wird, gelingt es dem Spieler, eine Auswahl von drei Kapiteln aus Elfriede Jelineks Buch „Wolken. Heim“ [sic] auf dem zweiten Monitor abzurufen. Die Steigerung des Schwierigkeitsgrades ermöglicht es, in weitere Textebenen vorzudringen, die nach dem System des deutschen Idealismus aufgebaut sind – der „reinen“ Idee, der „politischen“ Idee und der „praktischen“ Idee.

„Meine Theatererfahrungen der letzten Jahre haben mich dazu gebracht, grundsätzlich über die Vermittlung von Literatur nachzudenken. Durch meine Beschäftigung mit Computerkunst, überhaupt mit den neuen elektronischen Medien, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß neue Formen der Literatur gefunden werden müssen, in denen der Rezipient von Kunst selbst auch in das Material, das ihm vermittelt wird, eingreifen können muß. Das Kunstwerk soll seine eigene Rezeption bereits enthalten! Und gleichzeitig wird der Betrachter ein Teil des Werks.“ (Elfriede Jelinek)

Elfriede Jelinek, Gottfried Hüngsberg, Hannes Franz: Trigger your text (1993) . In: Hartwanger, Georg / Iglhaut, Stefan / Rötzer, Florian (Hg.): Künstliche Spiele. München: Boer Verlag 1993, S. 306.

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