Ein Sportstück
Uraufführung am Burgtheater Wien, 1998. Foto: Burgtheater Wien / Andreas Pohlmann
Uraufführung am Burgtheater Wien, 1998. Foto: Burgtheater Wien / Andreas Pohlmann
Jelinek, Elfriede
:
Ein Sportstück.
Reinbek
:
Rowohlt
1998
.
Auflage 8.250.
Jelinek, Elfriede
:
Ein Sportstück.
Reinbek
:
Rowohlt
1999
(= rororo 22593)
.
Auflage 21.200.
Jelinek, Elfriede
:
Zwischenbericht (aus: Death of a not-for-ladies’ man). In:
Nyssen, Ute
/
Bansemer, Jürgen
:
15 Jahre Theaterverlag Ute Nyssen & J. Bansemer – Köln. Eine Anthologie.
Köln
:
Nyssen & Bansemer
1996
, S. 62-67
(Vorabdruck)
.
Jelinek, Elfriede
:
Zwischenbericht. Ein Sportstück. In: protokolle 1-2/
1997
, S. 53-58
(Vorabdruck)
.
Jelinek, Elfriede
:
So gibt er’s uns! In: Die Presse (Spectrum),
27.12.1997
(Vorabdruck)
.
Jelinek, Elfriede
:
Ein Sportstück. Monolog Andi. http://www.elfriedejelinek.com/fandi.html (15.7.2014)
1997
(= Elfriede Jelineks Website, Rubrik: Theatertexte).
Jelinek, Elfriede
:
Ein Sportstück. In:
Roeder, Anke
:
55 Monologe für Männer.
Berlin
:
Henschel
2007
, S. 101-102
.
Jelinek, Elfriede
:
Ein Sportstück. In:
Walther, Lutz
:
Mythos Elektra. Texte von Aischylos bis Elfriede Jelinek.
Stuttgart
:
Reclam
2010
(= Reclams Taschenbuch 20194)
.
UA | 23.1.1998
, I:
Einar Schleef
Erstsendung des TV-Mitschnitts:
3sat / ZDF und ORF 2, 21.5.1998
(Live vom Theatertreffen in Berlin 1998).
18.6.1998
, I:
Michel Deutsch
, Ü:
Marianne Dautrey
(szenische Lesung)
Übersetzte Werke
Erstsendung des TV-Mitschnitts: France Culture, 18.6.1998.
16.11.1998
, I:
Joachim Lux
27.11.1998
, I:
Peter Eschberg
4.12.1998
, I:
Christof Nel
15.4.1999
, I:
Udo Schoen
2.7.1999
, I:
Barbara Bilabel
10.9.2000
, I:
Hans Peter Cloos
20.6.2003
Theater an der Sihl
, Zürich (in Koproduktion mit der Theaterhochschule Zürich, dem Schauspielhaus Zürich und den Zürcher Festspielen)
, I:
Stephan Müller
5.6.2004
, I:
Martin Stiefermann
22.1.2005
, I:
Donald Berkenhoff
19.3.2005
, I:
Thomas Oliver Niehaus
27.8.2005
, I:
Eirik Stubø
, Ü:
Elisabeth Beanca Halvorsen
Beim Festival wurden Ausschnitte der Theatertexte
Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte (1979)
Ein Sportstück (1998)
,
In den Alpen (2002)
,
Der Tod und das Mädchen IV (2002)
und
Babel (2005)
vorgestellt.
8.10.2005
, I:
Alexander Brill
(Doppelabend mit mannMachtmann. Ein Projekt von Alexander Brill)
4.3.2006
, I:
Henning Bock
25.4.2006
Divadlo Komedie
, Prag
, I:
Dušan David Pařízek
,
Jan Nebeský
,
David Jařab
, Ü:
Zuzana Augustová
Übersetzte Werke
29.4.2006
, I:
Christoph Zapatka
27.5.2006
, I:
Volker Lösch
22.9.2006
, I:
Andreas Mach
31.8.2007
, I:
Maya Bösch
, Ü:
Michel Deutsch
,
Marianne Dautrey
(Titel: Stations urbaines. Ein Sportstück)
Übersetzte Werke
17.1.2009
, I:
Lorenzo Fontana
, Ü:
Roberta Cortese
(erste Fassung)
Übersetzte Werke
23.7.2009
, I:
Lorenzo Fontana
, Ü:
Roberta Cortese
(zweite Fassung)
Übersetzte Werke
4.2.2012
, I:
Joachim Schloemer
11.7.2012
Nuffield Theatre
, Lancaster
, I:
Vanda Butkovic
, Ü:
Penny Black
,
Karen Jürs-Munby
10.8.2012
Kulturzentrum Matucana 100
, Santiago de Chile
, I:
Karina Bacelli
, Ü:
Graciela Berton
27.10.2012
, I:
Hermann Schmidt-Rahmer
17.5.2013
Saarländisches Staatstheater
Saarbrücken
, I:
Marcus Lobbes
23.10.2014
, I:
Andrea Adriatico
, Ü:
Roberta Cortese
30.1.2015
Schauspielhaus Ostflügel
Chemnitz
, I:
Stefan Migge
(Produktion des TheaterJugendClubs)
5.3.2016
Rohm Theatre
, Kyoto
, I:
Motoi Miura
, Ü:
Masayuki Tsuzaki
7.12.2018
, I:
Hermann Schmidt-Rahmer
16.3.2019
, I:
Dušan David Pařízek
1998 wurde Jelinek für Ein Sportstück von der Zeitschrift
Theater heute
zur „Dramatikerin des Jahres“ gewählt.
Jelineks
Essays über Einar Schleef
Jelineks Essay
Death of a not-for-ladies’ man (1996)
Jelineks Essay
In einem leeren Haus (1998)
Jelineks Essay
Fassungslose Begeisterung (2013)
Jelineks Essay
o. T. (über Fußball) (2014)
Jelineks Text für Olga Neuwirths Komposition
Elfi und Andi (1997)
Olga Neuwirths Hörspielbearbeitung
Todesraten (1997)
Peter von Becker:In Ihrem neuen „Sportstück“,
das in Einar Schleefs Burgtheater-Inszenierung
als heilig-unheiliges Monster dieser Saison beim Berliner Theatertreffen gastiert,
kehren Sie zum antiken Chorus zurück und entwerfen riesige monologische Redepartien. Elfriede Jelinek: Es geht darum, daß der Sport als Organisationsform der größten
Banalität auf das Höchste trifft, das es gibt: auf die Form der antiken Tragödie.
Im Zusammenprall der größtmöglichen Gegensätze wird durch das Paradoxe hindurch
auch wieder etwas Persönliches und Familiäres sichtbar. Das hat wohl auch
Schleef angeregt; zumal es hier noch das Mutter-Opfer gibt, ein Mütter-Schlachten:
durch mich als Autorin, durch ihn als Regisseur. [...] Meinten Sie mit Schleefs „Mutterschlachten“ auch die Opferung der Autorin als Mutter
des Stücks? Nein (lacht), er hat aber gleichfalls eine komplizierte Mutter-Bindung. Darüber haben
wir nie geredet, aber er hat es in seinem Roman „Die Mutter“ erzählt. Das ist
gleichfalls ein Abstraktionsvorgang, so wie ich als Opfer einer Mutter mit ihr hier
den Vatermord inszeniere: nochmals ein Sakrileg und eine fast parodistische Gegensetzung.
Alles ist ein Spiel um den blutigen Ernst. [...] Die These Ihres Stückes lautet verkürzt: Sport ist Mord. Das durchzieht alle meine Bücher: der Haß auf den Sport. Dabei geht’s nicht um
den Sport an sich, sondern um Massenphänomene und Gewalt. Kein junger Mann
kann in den Krieg ziehen, der vorher nicht Sport getrieben hat. Es geht um die Vergötzung
von Körperkräften und die Verachtung intellektueller oder künstlerischer
Tätigkeit. Ich habe auch ganz reale Angst vor Sportfanatikern, vor Menschen- und
Männermassen. Außerdem haben wir in Österreich eine Rechte, die sich betont
sportlich gibt, mit dem derzeit wohl einzigen charismatischen rechten Führer auf
der Welt – der sein gebräuntes, sportlich gestähltes Auftreten sehr bewußt kultiviert.
Die Autorin gibt nicht viele Anweisungen, das hat sie inzwischen gelernt. Machen Sie was
Sie wollen. Das einzige, was unbedingt sein muß, ist: griechische Chöre, einzelne, Massen,
wer immer auftreten soll, außer an den wenigen Stellen, wo etwas anderes angegeben ist,
muß Sportbekleidung tragen, das gibt doch ein weites Feld für Sponsoren, oder? Die Chöre,
wenns geht, bitte einheitlich, alles adidas oder Nike oder wie sie alle heißen, Reebok oder
Puma oder Fila oder so.
Was ich vom Chor will, ist folgendes: Der Chorführer, oder die Chorführerin, soll mittels
Ohrstecker mit dem Sportkanal verbunden sein und alle interessanten Sportereignisse oder
die neuesten Ergebnisse, je nach seiner (ihrer) Einschätzung, dem Publikum bekanntgeben,
entweder indem der Chorführer zur Rampe tritt und verkündet, was er zu sagen hat, oder
indem er es auf Tafeln schreibt, die er hochhält, oder, etwas teurer, mittels Leuchtschrift, die
man eingeben kann wie in einen Computer oder eine Schreibmaschine. Zum Chorführer (zur
Chorführerin) sollte jemand gewählt werden, der gut improvisieren kann, er tritt also zur
Rampe und verkündet, das Spiel unterbrechend, ein neues Ergebnis, und der Chor nimmt
das dann auf und wiederholt es chorisch. Und zwar so, daß die Handlung eben dadurch
unterbrochen wird, es gibt eh keine.
Was die Bühne selbst betrifft, vielleicht ginge es so: Man könnte die quer in zwei Sphären
teilen und zwar so: Ein düsterer Teil eines Sportstadions ragt vor uns auf, ein Fanggitter,
das zwei Fangemeinden voneinander trennen muß, damit sie sich nicht sofort gegenseitig an
die Gurgel gehen. Zu beiden Seiten des aufragenden Gitters stehen uniformierte Polizisten,
mit dem Rücken zum Gitter, mit den aufmerksamen Gesichtern zu den beiden Mengen,
die zueinander wollen, gegeneinander drängen, ans Gitter schlagen, manchmal das Gitter
durchbrechen, etc. Die beiden Mengen sind die Feindmengen, von ihren Übergriffen handelt
im Grunde das ganze Stück, vielleicht aber auch von was ganz andrem.
Ein Sportstück besteht aus längeren, SprecherInnen und Chören zugeordneten Texten und ist nicht in Szenen oder Akte gegliedert, weist jedoch einen Zwischenbericht auf, in dem Die alte Frau und Andi sprechen. Die Bühne ist laut Regieanweisung in zwei durch ein „Fanggitter“ getrennte Sphären unterteilt. Über ihre Quellen hat Jelinek dem Text Folgendes nachgestellt:
„Dank u. a. an
Herbert Jäger
(‚Makrokriminalität‘)“
Der Text thematisiert das Massenphänomen
Sport
im Spannungsfeld von
Gewalt
und
Krieg
. Ein zentraler Bezugstext ist
Elias Canettis
Masse und Macht . Der Aspekt der Masse scheint auch in den in der einleitenden Regieanweisung geforderten „griechischen Chören“ auf. Bei den Personenangaben handelt es sich entweder um nicht näher bestimmte SprecherInnen (Die Frau, Mann, Opfer, Ein anderer Täter, Sportler, Andrer) oder um Figuren, die auf Texte und Mythen der griechischen
Antike
verweisen (Elfi Elektra, Achill, Hektor). Ein wichtiger Intertext, den Jelinek im Stück verarbeitet, ist auch
Kleists
Penthesilea . Bei der alten Frau und Andi im Zwischenbericht nimmt die Autorin Bezug auf zwei reale Fälle: den Kriminalfall der „Schwarzen Witwe“
Elfriede Blauensteiner
, die in den 1990er Jahren mehrere ältere und pflegebedürftige Menschen vergiftete, um an ihr Vermögen zu gelangen, sowie auf den Bodybuilder
Andreas Münzer
, der 1996 an den Folgen massivem Dopings starb. In beiden Fällen geht es um die Vernichtung des Körpers (
Körper
) mittels chemischer Substanzen. Der letzte Textabschnitt, dem die Sprecherinangabe „Die Autorin“ vorangestellt ist, richtet sich in der 2. Person an eine als „Papi“ bezeichnete Vaterfigur (
Vater
).
Die Uraufführung am Wiener Burgtheater in der Inszenierung von
Einar Schleef
wurde in einer Kurz- und in einer Langfassung gespielt. Schleef arbeitete – wie in der Regiebemerkung gefordert – intensiv mit Elementen des Chores und baute auch weitere Szenen in die Inszenierung ein. Die letzte Textsequenz, in der Die Autorin spricht, wurde von
Schleef
selbst gesprochen. Jelinek widmete in der Folge
Einar Schleef
ihren Theatertext
Das Werk
(2003). Eine Fortschreibung von Ein Sportstück ist das 2006 erstmals im Bayerischen Rundfunk gesendete Hörspiel
Sportchor
.