Begierde & Fahrerlaubnis (eine Pornographie)

Erster Text von vielen ähnlichen.

Abdrucke

auch in:

Unter dem Titel Luft (Begierde) * auch in:

 

Im Text spricht eine alternde Dichterin beim Autofahren zu ihrem Geliebten. Sie maßt sich dabei die Herrschaftsrolle an und entzieht sich dem Begehren des Mannes (

Mann

) nach einer passiven

Frau

. Das weibliche Ich schwankt zwischen Selbstverherrlichung und Selbsterniedrigung. Die Sprechende verortet sich im Abseits, dem Ort der

Künst­le­rin

auch in Jelineks

No­bel­preis­re­de

. Der Text weist Bezüge zum ersten Teil von Jelineks Theatertext

Über Tie­re

auf.

 

Anke Roeder: Besonders in „Begierde & Fahrerlaubnis“ ist die Sprache so bildmächtig und provozierend, daß nicht nur die Vergeblichkeit weiblichen Begehrens zum Ausdruck kommt, sondern ebenso die Dominanz, die darin besteht, daß SIE IHN verspottet und beherrscht.

Elfriede Jelinek: Spott wirkt immer kastrierend. Spott und Ironie sind objektivierende Kunstmittel, die ein Ich-Bewußtsein voraussetzen, das von sich absehen kann. Spott und intellektuelle Arbeit einer Frau sind im patriarchalen System Überschreitungen.

Das Sprechen der Frau in „Begierde & Fahrerlaubnis“ geht soweit, daß es scheint, als ob SIE IHN erst durch IHRE Imagination zum Leben erwecke, so daß ER ohne SIE gar nicht existent wäre.

Die alternde Geliebte spricht zu ihrem Geliebten und erschafft ihn damit gleichzeitig. Sie gebiert ihn ja auch, als Mutter, eine Rolle, die für sie vorgesehen wäre, die sie aber wiederum überschreitet, indem sie, da sie ihn ja symbolisch erschafft, (sie ist ja auch die Autorin!) auch in ihm ist. Sie ist also Mann und Frau in einem, als eine, die schöpft und gebiert, aber, in einem Akt der Anmaßung, ihr Geschöpf nicht von sich fortlassen kann, sondern wie in einer Parthenogenese eben auch das Geschöpf, das sie ganz alleine gemacht hat, selber sein möchte. Sie kann nichts aus der Hand geben, sie will einfach über alles gebieten können. Sie spricht, sie schafft auch den Text, und sie schafft den Mann, von dem der Text handelt. [...]

„Begierde & Fahrerlaubnis“ thematisiert in einer Art Kreisbewegung, die zur Frau wieder zurückführt, das Begehren als ein unrealisierbares, das aber doch immer wieder neu entsteht, sich neu entzündet, aber eben nur, wenn die Frau ihre Anmaßung, sprechen zu wollen, aufgibt. Wenn sie vom sprechenden Subjekt wieder zum Objekt wird, was sie als sexuelles Wesen immer wieder aufs neue werden muß. Es hat mich immer sehr interessiert, vor allem in meinem Roman „Lust“, daß das weibliche Begehren als ein aktives sich nur realisieren läßt in der eigenen Auslöschung. Wenn die Frau also begehrt, muß Sie sich zu einem Zu-Begehrenden machen, weil sie sonst das Begehren des Mannes auslöscht. Daraus folgt, daß die Frau ihr Begehren nur in der Selbstauslöschung (auch ihrer Wünsche!) als sexuelles Wesen realisieren kann.

aus: Anke Roeder: Überschreitungen. Ein Gespräch mit Elfriede Jelinek . In: Programmheft des Bayerischen Staatsschauspiel/Marstall zu projekt jelinek , 1996.