Macht nichts
Eine kleine Trilogie des Todes
Uraufführung am Schauspielhaus Zürich, 2001. Stadtarchiv Zürich, VII.200. Archiv Schauspielhaus Zürich AG; Foto: Leonard Zubler
Uraufführung am Schauspielhaus Zürich, 2001. Stadtarchiv Zürich, VII.200. Archiv Schauspielhaus Zürich AG; Foto: Leonard Zubler
Jelinek, Elfriede
:
Erlkönigin. In: Theater heute 2/
1999
, S. 56-61
.
Jelinek, Elfriede
:
Erlkönigin. In: SB Macht nichts.
1999
, S. 5-30
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Macht nichts. In: SB Macht nichts.
2002
, S. 5-30
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Altes Gespenst. Der Monolog einer Burgtheater-Legende im Sarg.
Teilabdruck
In: News,
18.2.1999
.
Jelinek, Elfriede
:
„... damit sie den Rudelführer nicht zerreißen“.
Teilabdruck
In: News,
11.1.2001
.
Jelinek, Elfriede
:
Der Tod und das Mädchen I-V. In:
Beil, Hermann
:
Weltkomödie Österreich. 13 Jahre Burgtheater 1986-1999. Bd. 1.
Wien
:
Burgtheater
1999
, S. 78-85
.
Jelinek, Elfriede
:
Der Tod und das Mädchen I-V. In: SB Macht nichts.
1999
, S. 5-30
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Der Tod und das Mädchen I-V. In: SB Macht nichts.
2002
, S. 5-30
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Der Tod und das Mädchen I-V. In: Programmheft des steirischen herbstes zu Elfriede Jelineks Der Tod und das Mädchen I-III
2002
.
Jelinek, Elfriede
:
Der Tod und das Mädchen I-V. In: SB Der Tod und das Mädchen I-V.
2003
, S. 7-24
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
... der Tod und das Mädchen.
Teilabdruck
In:
Hausner, Xenia
:
Damenwahl. Berichte aus dem Labor.
Köln
:
Wienand
2003
, S. 52-55
.
Jelinek, Elfriede
:
Macht nichts. In: SB Macht nichts.
1999
, S. 47-84
DN
.
Jelinek, Elfriede
:
Macht nichts. In: SB Macht nichts.
2002
, S. 47-84
DN
.
UA | 11.4.2001
Schauspielhaus Zürich
, I:
Jossi Wieler
Jelineks Essay
Die Leere öffnen (für, über Jossi Wieler) (2006)
22.11.2004
Goethe-Institut Buenos Aires
, I:
Luis Cano
, Ü:
Carmen Gómez García
25.8.2005
, I:
Nebojša Bradić
, Ü:
Carina Kosta
27.11.2005
Düsseldorfer Schauspielhaus
, I:
Thomas Bischoff
6.3.2006
Theater Tram Tokyo
, I:
Peter Gössner
, Ü:
Michiko Tanigawa
24.10.2008
schauspiel frankfurt
, I:
Corinna von Rad
20.6.2009
Staatstheater Kassel
, I:
Marcus Lobbes
28.1.2011
, I:
Christina Schmutz
,
Frithwin Wagner-Lippok
, Ü:
Christina Schmutz
,
Frithwin Wagner-Lippok
(Titel: On caram és la compresa performativa de la Blancaneu? (Una telenovela a partir de „¡No pasa nada!“ i „Los contratos del comerciante“ de Elfriede Jelinek))
Übersetzte Werke
, gemeinsam mit
Die Kontrakte des Kaufmanns
)
18.5.2014
Schauspiel Frankfurt
, I:
Johanna Wehner
5.8.2017
Kyoto Under Throw
, I:
Motoi Miura
, Ü:
Michiko Tanigawa
4.6.2005
, I:
Lorenzo Fontana
, Ü:
Roberta Cortese
12.11.2007
Teatro del Abasto
, Buenos Aires
, I:
Alberto José Montezanti
, Ü:
Carmen Gómez Garcia
7.4.2011
DVD:
18.1.2013
Teatro Oscar
, Mailand
, I:
Angela Malfitano
, Ü:
Roberta Cortese
3.12.2015
republic Salzburg
, mit
Birgit Minichmayr
(szenische Lesung)
27.1.2018
A Studio Rubín
, Prag
, I:
Ondřej Škrabal
, Ü:
Barbora Schnelle
22.6.2014
Východočeské divadlo Pardubice
, I:
Juraj Augustín
, Ü:
Zuzana Augustová
14.12.2015
Meet Factory
, Prag
, I:
Lucie Ferenzová
, Ü:
Zuzana Augustová
(Titel: Poutník)
Übersetzte Werke
1.10.2019
, I:
Alexander Waechter
Jelinek erhielt für
Macht nichts
in der Inszenierung von
Jossi Wieler
2002 den
Mülheimer Dramatikerpreis
. Die Inszenierung wurde daraufhin zu den
Salzburger Festspielen
2003 eingeladen. Jelinek verfasste zu diesem Anlass die Dankesrede
Wie man die Welt anschaut (2002)
.
Jelineks Essay
Nachbemerkung (1999)
Interview
Die Kriegsgewinnlerin (2000)
Martin Zylkas Hörspielbearbeitung
Erlkönigin (2005)
Diese Texte sind für das Theater gedacht, aber nicht für eine Theateraufführung. Die Personen führen sich schon selber zur Genüge auf. Die Titel der drei Teile: Erlkönigin, Der Tod und das Mädchen, Der Wanderer sind Schubertliedern entnommen,
Goethes Erlkönig allerdings hat das Geschlecht gewechselt. Er ist, im ersten Teil, eine berühmte, natürlich tote, Schauspielerin, die, einer alten Sitte entsprechend, dreimal um das Burgtheater herum getragen wird. Sie spricht sozusagen den
Epilog zu meinem Theaterstück „Burgtheater“, dessen Hauptfigur sie ist, und zwar weil sie eben nicht totzukriegen ist und daher einfach immer weiterredet. Das Seltsame wird, indem diese alte Frau spricht, immer mehr zum Nichtseltsamen, Alltäglichen,
alles ist wieder völlig konkret. Der Krieg war das Ende des Unerwarteten, indem er ein Mithandeln (der Soldaten, der Mitläufer, der Propagandaindustrie, deren Vertreterin die alte Schauspielerin war) gewährte, ja verlangte. [...]
Der Mittelteil: „Der Tod und das Mädchen“ ist eine Art Zwischenspiel, der Dialog eines Jägers mit Schneewittchen. Es geht um das Wahre, Gute und Schöne, auf das sich viele in der Kunst so gern berufen, um sofort in die Berufung zu gehen, falls ihnen jemand etwas anderes nachweisen könnte. Die Kampfhandlungen ruhen sich aus, der Friede rollt ab wie ein Operationsplan, den Schneewittchen, wie zu einer kosmetisch-kosmischen Operation, einem Lifting, das alle Falten ausradieren soll, mit schwarzen Linien ins Gesicht vor-geschrieben trägt. Nur leider hält sie ihn verkehrt herum, den Plan, aber da er ihr ins Gesicht geschrieben ist, kann sie ihn ohnedies selbst niemals sehen. Man sieht allerdings auch nicht, wer dieses Mädchen überhaupt ist, und so wird es vom Jäger totgeschossen, bevor es noch selber die lieben Zwerge treffen kann, auf die es so scharf ist, weil die selber ziemlich scharf sein sollen. „Der Wanderer“ ist, ähnlich wie im „Sportstück“, der Schlußmonolog, ein Text, den mein Vater spricht. Im ersten Teil hat eine Täterin geredet, die eigentlich nie eine sein wollte (aber dann war es doch schön dazuzugehören!), im letzten Teil spricht jetzt ein Opfer, das auch nie eines sein wollte. Die Zeiten, da alle Opfer sein wollen, sollen ja erst noch kommen. Diese Zeiten werden jene ablösen, als niemand gern Opfer gewesen ist. Es geht in jedem Fall darum, seine Sachen in Sicherheit zu bringen. Auch ich plündere also meinen Familienfundus und schenke mir nichts.
Eine berühmte Burgschauspielerin, die tot ist, wird soeben dreimal um das Burgtheater herumgetragen.
Sie sitzt im Sarg. Die Knochen stehen ihr überall heraus. Ab und zu schneidet sie sich ein Stück Fleisch heraus und
wirft es ins Publikum. Hinter ihr, auf die Fassade des Burgtheaters, die mit einer riesigen Leinwand verhängt ist,
werden, ebenso riesig, Amateur-Ferienfilme aus dem ländlichen Raum, mit fröhlichen Menschen in Tracht oder Badekleidung, projiziert.
Die Trilogie
Macht nichts
besteht aus den Theatertexten
Erlkönigin
,
Der Tod und das Mädchen I
und
Der Wanderer
. Der Tod und das Mädchen bildet zugleich den 1. Teil von Jelineks
Prinzessinnendramen. Der Tod und das Mädchen I-V
.
Macht nichts
war ein Auftragswerk des
Berliner Ensembles
in der Intendanz
Claus Peymanns
, wobei Jelinek Der Tod und das Mädchen bereits für den Abschiedsband
Peymanns
am
Wiener Burgtheater
verfasst hatte. Die Uraufführung am
Berliner Ensemble
war für den 27.1.2001 in der Inszenierung von
Einar Schleef
, der selbst den Wanderer spielen sollte, geplant, musste jedoch wegen
Schleefs
Erkrankung abgesagt werden. Nach
Schleefs
Tod wurden im
Berliner Ensemble
am 11.11.2001 in einer Gedenkmatinee mit dem Titel Fragment Schleef. Spuren einer Inszenierung Probenmitschnitte der geplanten Inszenierung auf Video gezeigt und Teile präsentiert.
Die Titel der drei Teile von
Macht nichts
verweisen auf Lieder
Franz Schuberts
(
Musik
).
Erlkönigin
ist eine Art Epilog zu Jelineks Theatertext
Burgtheater (1985)
. Wieder geht es um eine an der NS-Macht partizipierende
Künstlerin
. In der Regieanweisung ist von einer verstorbenen Burgschauspielerin die Rede, die in ihrem Sarg dreimal um das Theater getragen wird und Fleischstücke aus ihrem Körper ins Publikum wirft. Sie spricht über den Tod und ihre Karriere als Schauspielerin im
Nationalsozialismus
und nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
Der Tod und das Mädchen bezieht sich auf das
Märchen
Schneewittchen der Brüder Grimm und ist als Wechselrede zwischen Schneewittchen und dem Jäger konzipiert. Gegenstand des Gesprächs sind die Begriffe Wahrheit und Schönheit. Im Gegensatz zum Märchen wird Schneewittchen am Ende vom Jäger erschossen.
Wie
Erlkönigin
ist auch
Der Wanderer
, der dritte Teil der Trilogie, in Ich-Form verfasst. Beim Wanderer handelt es sich um einen
Vater
, der aufgrund seines Wahnsinns (
Wahnsinn
) von seiner Frau und seiner Tochter (
Familie
) verstoßen und in eine Anstalt gebracht wurde. Im Nachwort beschreibt Jelinek den Wanderer als Opfer, der der Täterfigur in
Erlkönigin
gegenübergestellt wird. Gemeinsam ist den drei Texten das Motiv des Todes (
Tod
).
Neben den von
Schubert
vertonten Gedichten von
Goethe
,
Claudius
und
Schmidt
– Erlkönig (1782), Der Tod und das Mädchen (1775) und Der Wanderer (1821) – gibt es auch intertextuelle Bezüge zu Schriften
Martin Heideggers
(
Philosophie
) und
Friedrich Nietzsches
.
Das Motiv des Wanderers greift Jelinek erneut in ihrem Theatertext
Winterreise (2011)
auf, in dem es ebenfalls eine Vaterfigur gibt.